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Dirigent Zubin Mehta

© AFP

Berliner Philharmoniker: Zubin Mehta serviert Kulinarisches

Akustische Völlerei: Zubin Mehta dirigiert die Philharmoniker. Solo-Geiger Gil Shaham begeistert das Publikum und erntet Zwischenbeifall.

Wie gut, dass Musik nicht dick macht. Denn was Zubin Mehta da mit den Berliner Philharmonikern serviert, ist eine veritable akustische Völlerei, ein Drei-Gang-Menü mit Kalorienbomben aus der österreichischen wie der französischen Komponistenküche. Als Franz Schmidt 1903 seine Oper „Notre Dame“ in Angriff nahm, verdiente er sein Geld als Cellist an der Wiener Staatsoper - und wusste darum ganz genau, was Effekt beim Publikum macht.

Zuerst entwarf er tonmalerisch ein prächtiges Pariser Stadtpanorama, dann zeichnete er Esmeraldas Porträt in wollüstigen Kantilenen. Zubin Mehta hat dem Orchester vermittelt, dass hier alles absolut akkurat gespielt werden muss, damit es nicht schmierig wirkt - und die Musiker geben ihm so herrlich leuchtende Farben, dass man sich im Innern der Kathedrale wähnt, während die Morgensonne gerade die gotischen Fensterflächen entflammt.

Üppiger und dekadenter, süffiger und schillernder als der 1897 geborene Erich Wolfgang Korngold konnte kein anderer Tonsetzer instrumentieren: Solche Männer wurden in Hollywood gebraucht! 1945 konstruierte sich der Exil-Wiener aus drei seiner Soundtracks ein Violinkonzert im Breitwandformat. Gil Shaham hat den gemessen sahnigen Solistensound dafür. Er genießt es sichtlich, wenn die philharmonischen Wogen des Wohlklangs über ihm zusammenschlagen, und verbindet so überzeugend Stehgeiger-Charme mit stupender Technik, dass nach jedem Satz spontaner Applaus aufbrandet.

Ein einziges Thema zieht sich durch alle vier Sätze, die Partitur fordert neben den üblichen Instrumenten auch ein vierhändig besetztes Klavier und eine Orgel: Camille Saint-Saëns war davon überzeugt, 1886 durch seine 3. Sinfonie die Gattung erneuert zu haben. Zubin Mehta geht sie mit altmeisterlicher Souveränität an, hält die zwischen Mendelssohn und Liszt schwankende Tonsprache im organischen Fluss, verleiht ihr im zweiten Teil erst sehnige Gespanntheit und gibt sich dann genussvoll dem pompösen Finale hin.

Thierry Escaich lässt die just auf den Tag genau vor 50 Jahren eingeweihte Schuke-Orgel der Philharmonie brausen, die anderen Stimmgruppen fallen ein und der Kreis schließt sich geografisch: Vor dem inneren Auge sieht man adipöse Kardinäle in Notre Dame einziehen, umtänzelt von zierlichen Ministranten. Kollektiv schwelgt der Saal im schönsten katholischen Kitsch.

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