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Kultur: Berliner Volksbühne: Die laue Lagune

"The Beach" war ohne Zweifel einer der abstoßendsten und auf vertrackte Weise subversivsten Filme der letzten Jahre. Ökonomisch und kulturindustriell gesehen war der Film, der jetzt im Prater der Berliner Volksbühne theatralisiert wurde, nicht viel mehr als ein Starvehikel für Leonardo DiCaprio.

"The Beach" war ohne Zweifel einer der abstoßendsten und auf vertrackte Weise subversivsten Filme der letzten Jahre. Ökonomisch und kulturindustriell gesehen war der Film, der jetzt im Prater der Berliner Volksbühne theatralisiert wurde, nicht viel mehr als ein Starvehikel für Leonardo DiCaprio. Ein Hollywood-Produkt, in dem es vor allem darum ging, möglichst oft den aufs appetitlichste durchtrainierten Oberkörper des Protagonisten in hübsch exotischer Umgebung zu zeigen: DiCaprio am Strand, DiCaprio im Bett mit diversen Nebendarstellerinnen, DiCaprio im Meer, DiCaprio im Dschungel.

Gleichzeitig war der Film nicht weniger als der Versuch, die Aussteigerphantasien jedes Büroangestellten und gutgeölten Karrieristen zu bebildern: Endlich ein anderes Leben in einer schöneren Umgebung führen, endlich zu sich selbst finden, endlich nicht mehr bloß zuverlässig funktionieren, sondern das eigene Leben in ein Abenteuer verwandeln. Die Phantasien vom ganz anderen, vom der eigenen grauen Existenz diametral entgegengesetzten Ausbruchsszenario waren klischiert bis zur Überdeutlichkeit. Jede Einstellung wirkte, als sei sie direkt aus einem billigen Tourismuskatalog auf die Leinwand kopiert worden.

Die Tag- und Filmträume vom schöneren, ganz anderen Leben zeigten ihre schäbige Abgenutztheit, ihre hilflose Verlogenheit in penetranter Deutlichkeit an der Oberfläche der Bilder. Klarer und brutaler als in den verbrauchten Postkartenmotiven von Sonnenuntergängen, Lagerfeuern am Strand und erotischer Unterwassergymnastik lässt sich nicht demonstrieren, dass noch die Träume vom befreiten Leben industriell hergestellt sind, endlos oft reproduziert und in ihrer Klischeehaftigkeit zum Dementi aller utopischer Sehnsüchte gefroren.

Der gegen solche eskapistischen Hoffnungen gerichtete und bis zum Überdruss wiederholte, zitierte und parodierte Satz Theodor W. Adornos, es könne kein richtiges Leben im falschen geben, wurde selten so brachial und geschmacklos illustriert wie in diesem Film. Die Kommune der Späthippies, die an einer Strand in Thailand das große Abenteuer suchen und im Abschied von der Zivilisation langsam verblöden, wirkt wie die hämische Parodie auf alle Aussteigerphantasien: Jenseits von Entfremdung, Karrierestrategien und Selbstvermarktung liegt nicht das unbekannte, kaum geahnte Glück, sondern Monotonie und blanker Stumpfsinn.

Das hätte ein guter Stoff für einen bösartigen, klugen Theaterabend werden können. Leider begnügt sich der als große Hoffnung gehandelte Jan Jochymski im Prater damit, den schlechten Film bewusstlos in schlechtes Theater zu übersetzen. Weil er seine Schauspieler nicht führen kann, macht er sie zu Aufsagpuppen, die sich durch den Abend hangeln, indem sie die Klischeehaftigkeit ihrer Figuren durch betont grobes Spiel vorführen. Vielleicht war es vor langer Zeit, in der Frühphase des Poptheaters, einmal lustig oder sogar erkenntnisproduzierend, Theaterschauspieler wie die Witzfiguren aus schlecht synchronisierten Werbesendungen sprechen zu lassen. Heute ist dieser Effekt nur noch doof. Er kaschiert nicht besonders elegant das Unvermögen der Regie, zu überzeugenden Formungen und theatralischern Bildern zu gelangen.

Es wird geschrien und im Wasser eines kleinen Teichs geknutscht, es wird, begleitet von überzeugenden Düften, gekifft, und es wird mit einem Messer gefuchtelt. Man reißt sich die Perücken vom Kopf und man rennt durch Bert Neumanns Filmkulisse. Kate Strong zu sehen ist wie immer eine Freude, vor allem weil sie sich von der unsicheren Regie in ihrem robusten Ausdruckswillen nicht weiter stören lässt. Bastian Trost als DiCaprio-Ersatz ist vor allem jung, hübsch und süß, mehr ist er nicht. Cordelia Wege sieht auch mit schwarzer Perücke reizend aus, aber auch wenn sie sehr energisch keift, vermag sie ihrer Figur kein Leben einzuhauchen.

Man fragt sich nach dieser Aufführung, wie Jan Jochymski als künftiger Hausregisseur am Deutschen Theater seine offensichtlichen handwerklichen Schwächen ausgleichen will. Allzu lange sind Filmeinlagen, die Unfähigkeit in der Bildfindung und das demonstrierte Desinteresse an Schauspielerführung möglicherweise nicht überzeugend.

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