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Bethanien: Wo ist der Banksy?

Anarchie und Urheberrecht: Der Kunstraum Kreuzberg-Bethanien hat ein Werk des britischen Streetart-Künstlers freigelegt und wieder überstrichen.

Es war die vielleicht ungewöhnlichste Aktion, die es je im Kunstraum Kreuzberg - Bethanien am Mariannenplatz gegeben hat: die Freilegung eines mehrfach übermalten Graffitos. Der britische Streetart-Künstler Banksy hatte es dort vor acht Jahren während eines Sprayer-Festivals an die Wand gesprüht. Anfang September gab der Street-Art-Künstler Brad Downey die Wiederherstellung bei einem professionellen Restauratorenteam in Auftrag. Im Rahmen der Ausstellung „Do not think!“ integrierte der 31-jährige Amerikaner das Motiv seines mittlerweile berühmten Kollegen in eine umfangreiche Raumgestaltung, strich die angrenzenden Wände tiefrot und ließ an manchen Stellen quadratische Stücke aus dem Putz fräsen.

„What lies beneath“ nannte Downey seine Arbeit und griff damit in einem Wortspiel den Titel des freigelegten Banksy-Werks „Every picture tells a lie“ auf. Ein Glück, könnte man meinen, dass nun die frühe Arbeit des begehrten Sprayers gerettet ist. Schließlich wurden erst kürzlich bei einer Auktion in London zehn von Banksys berühmten Schablonenbildern für insgesamt 546 000 Pfund versteigert – für das Doppelte ihres Schätzwerts. Streetart hat damit einen schnellen Weg durch die Institutionen genommen: Galten Graffitis noch vor einiger Zeit als bloße Schmiererei, als Vandalismus, sind sie heute als eigenständige Kunstform weitestgehend anerkannt. Zu den Sammlern von Banksys Werken zählen inzwischen auch Hollywoodstars wie Brad Pitt und Angelina Jolie.

Dass Streetart mittlerweile in Wohnzimmern hängt, ist eigentlich ein Paradoxon. Rezipiert wurde sie einst ausschließlich im öffentlichen Raum; ihre Kurzlebigkeit war im Moment ihrer Entstehung inbegriffen – die Bilder und Schriftzüge wurden entweder von wütenden Hausbesitzern entfernt oder von anderen Künstlern übersprüht. Inzwischen zeigen Häuser wie die Londoner Tate Modern regelmäßig Streetart-Schauen; prominente Vertreter wie Blek le Rat, Keith Haring oder Shepard Fairey stehen hinsichtlich ihrer Reputation klassischen Künstlern in nichts nach.

Galerien wie Circleculture in Berlin stellen Streetart unter dem Label „Fine Urban Art“ aus, ernten damit allerdings auch Kritik. Schließlich üben die Künstler an eben jenem System Kritik, das Kunst mit steigendem Wert verkauft und dafür Graffitis konserviert, statt sie im öffentlichen Raum verblassen zu lassen.

Im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien blieb man deshalb konsequent. Am Tag der Finissage war die Arbeit letztmalig zu sehen. Schon zu Beginn von „Do not think!“ hatte Brad Downey angekündigt, das Banksy-Bild nach dem Ende der Ausstellung wieder übermalen zu wollen. Bei diesem Plan ist es geblieben, erklärt der Leiter des Kunstraums Stéphane Bauer. Damit sind alle Spekulationen, die Soldaten mit den Smiley-Gesichtern und Engelsflügeln könnten abgetragen und gewinnbringend versteigert werden, obsolet.

Ein Verkauf ohne die Zustimmung des Künstlers sei ohnehin nicht möglich, sagt Peter Raue, langjähriger Vorsitzender des Vereins der Freunde der Nationalgalerie und auf Urheberrecht spezialisierter Anwalt. Das Werk sei in situ, also an Ort und Stelle entstanden und nicht dafür bestimmt gewesen, entfernt und kommerzialisiert zu werden. Raue verweist auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 1995. Geklagt hatten Künstler, die die Berliner Mauer lange vor deren Fall bemalt hatten und deren Arbeiten später ohne Zustimmung verkauft wurden. Der BGH entschied, dass sie an den Erlösen angemessen zu beteiligen seien – als Urheber der Werke stünde ihnen das Verbreitungsrecht zu.

Ganz so einfach sei es bei dem Banksy-Bild im Bethanien jedoch nicht, sagt Raue. Mit dem Verlassen der Räume habe er es rechtlich gesehen dem Mieter respektive Eigentümer des Hauses überlassen, an dessen Wand es sich befindet. Erst durch die Freilegung sei die Arbeit wieder Werk des Künstlers, ihr Verkauf bedürfe seiner Zustimmung, sagt Raue. Diese zu bekommen, wäre allerdings schwierig gewesen. Seit Jahren hält Banksy seine Identität streng geheim, durch einen Galeristen wird er nicht vertreten. Es gibt jedoch ein Büro, das in Absprache mit dem Künstler Arbeiten als Originale zertifiziert.

Für Bauer spielten solche Überlegungen keine Rolle. Man habe Banksy versprochen, das Werk nicht zu verwerten. Ihm sei es wichtig, das Vertrauensverhältnis nicht zu gefährden. Zumal die Künstler, die in dem öffentlich geförderten Kunstraum ihre Arbeiten zeigen, ohne Honorar arbeiten. So wie Daniel Richter und Jonathan Meese, deren Werke im Bethanien ebenfalls seit Jahren unter dicken Farbschichten versteckt sind.

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