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Kultur: Betonhöhle statt Baukiste

Geerdet: der Architekt Engelbert Kremser

Alles ist grauschwarz. Bild an Bild nur Verwischungen aus Schwarz und Weiß. Dennoch ziehen diese Bilder mit ihren dynamischen Bahnen, Wirbeln und Schleiern in die Tiefe. Und je länger man hinschaut, desto mehr Schattenräume entdeckt man. Schließlich hat Engelbert Kremser noch zur Farbe gefunden, die er, ähnlich wie bei den „Graubildern“, zu fächerartigen Räumen verteilt. Da liegt die Frage nahe, weshalb diese Bilder im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main zu sehen sind. Die Antwort ist einfach, lugt doch aus dem Maler Kremser immer der Architekt hervor, der er eigentlich ist. Zum Maler wurde er in den letzten Jahren erst, nachdem er keine Bauaufträge mehr erhielt.

Kremsers Bauten waren nie sonderlich gefragt und sind es heute erst recht nicht. Denn er kann mit der rationalistischen Maxime „Form folgt der Funktion“ nichts anfangen. Für ihn gilt: „Form folgt der Vision“. Mit dieser Devise konnte der nunmehr 67-jährige Wahl-Potsdamer nur wenige Bauten realisieren, überwiegend in Berlin. Entsprechend ist er nur einem kleinen Kreis bekannt. Und auch in Frankfurt wird sein malerisches Werk dem architektonischen vorgezogen. Lediglich eine kleine Fotodokumentation in den zwei Treppenhäusern weist ihn auch als das aus, was er hauptsächlich ist. Tragisch – haben doch Kremsers Bauten einen eigenen Charme.

Das Spielhaus im Märkischen Viertel (1969-73), das Café für die Bundesgartenschau (1977-85) und das Pflanzenschutzamt (1987-90) – sie folgen seiner Ästhetik der „Erdarchitektur“. Wobei seinen Betonbauten die Erde nur als Negativform, als Schalung für diesen Beton dient. So schichtet Kremser zuerst Erdhügel auf, ummantelt sie dann mit Stahlarmierungen und gießt zuletzt Beton darüber. Wenn die Erde weggenommen wird, steht ein höhlenartiges, lebhaft strukturiertes Haus da.

Ein fantasievoller Raum-Veränderer war Kremser schon in den sechziger Jahren. Damals machte er sich in Fotomontagen kühne Gedanken über die Stadtgestaltung, wie eine kleine Bildauswahl zeigt. Imposant ist seine Idee, das heute klein wirkende Europacenter am Breitscheidplatz zwischen Ku’damm und Zoo über die ganze Straßenseite auszudehnen, so dass es fast die Gedächtniskirche umarmt. Derlei Bauten mit schwingenden Formen würde man eher so exzentrischen Architekten wie Frank O. Gehry oder Zaha Hadid zutrauen. Kremser war seiner Zeit voraus. Heute steht er zu Unrecht abseits, obgleich seine Betonhöhlen nicht kostspieliger sind als traditionelle Baukisten. So reizvoll auch seine „raumsüchtigen“ Bilder sind, ist ihm (und unserem Städtebau) zu wünschen, dass seine Ideen künftig wieder in die Erde gegossen werden.

Frankfurt am Main, Deutsches Architekturmuseum, Schaumainkai 43, bis 30. April. Katalog 12 €.

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