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Kultur: Beutekunst: Reise eines Heyducken mit hohem Hut

Zum Abschluss der zweitägigen Visite in St. Petersburg gab es doch noch eine Überraschung.

Zum Abschluss der zweitägigen Visite in St. Petersburg gab es doch noch eine Überraschung. Kanzler Schröder und seine Delegation hatten gerade das zu einem Gutteil wiederhergestellte Bernsteinzimmer bewundert - das im Krieg verschollene Original wird mit millionenschwerer Unterstützung der Ruhrgas AG für das 300. Gründungsjubiläum von St. Petersburg 2003 rekonstruiert -, da erwartete sie nebenan, in der Galerie des Katharinenpalastes, ein Geschenk. Ein russischer Geschäftsmann übergab Kultur-Staatsminister Julian Nida-Rümelin ein Gemälde des Rembrandt-Schülers Christoffer Paudiß aus dem 17. Jahrhundert: "Bildnis eines Heyducken mit hohem Hut". Es gehörte einst der Dresdner Gemäldegalerie, galt seit dem Zweiten Weltkrieg als verloren und wurde auf der Liste vermisster deutscher Kunstwerke geführt. Ist das der lange erwartete Durchbruch in den festgefahrenen Gesprächen über die Rückgabe kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter?

Man darf sich freuen über die Geste, sollte aber nicht zu viel hineininterpretieren. Sie gab den Regierungskonsultationen, die zu keinen nennenswerten Ergebnissen geführt hatten, einen versöhnlichen Ausklang. In Sachen Beutekunst sind keine raschen Erfolge zu erwarten, hatten Präsident Wladimir Putin und Schröder zuvor bei ihrer Pressekonferenz klargemacht. Putin kokettierte geradezu mit der ungelösten Frage: "Das ist ein Problem, dem der Bundeskanzler eine ernste Aufmerksamkeit widmet, vielleicht eine zu ernste", sagte er. Man müsse die Realitäten berücksichtigen - eine Anspielung auf das Gesetz der Duma aus der Jelzin-Zeit, das die Beutekunst als Ersatz für das im Krieg verlorene russische Kulturerbe betrachtet und die Rückgabe verbietet. Über den internationalen Grundsatz, dass Kulturgüter zurückzugeben sind - den auch Russland anerkannt hat -, kein Wort.

Der Kanzler war zu vornehm, den Gastgeber daran zu erinnern. Schröder riet zu "Gelassenheit". Solche Probleme ließen sich nur lösen, indem man das Trennende in den Beziehungen beiseite räume. Da muss Schröder bereits gewusst haben, was ihn erwartet. Russische Sachverständige waren vor wenigen Tagen in Dresden gewesen, um die Echtheit des Bildes und die Zugehörigkeit zur dortigen Gemäldesammlung zu untermauern - wohl kaum ohne Kenntnis der deutschen Behörden, die zudem Begleitpapiere vorbereiten mussten.

Und dann dieser Geschäftsmann Timur Timerbulatow Riafkatowitsch: ein Ex-Militär, der als Chef des Moskauer Finanz- und Immobilienkonzerns "Konti" zu Geld gekommen ist - was Platz lässt für alle möglichen Interpretationen. Ist er womöglich ein Strohmann des Staates? Weil, erstens, privates Versöhnungs-Sponsoring mehr Rührung hervorruft als staatliches Entgegenkommen. Und, zweitens, der russische Staat sich so von allen Wünschen, in dieser Rückgabe einen Präzedenzfall zu sehen, distanzieren kann. Er will das Kunstwerk 1992 von einer Privatperson auf dem Moskauer Kunstmarkt "Ismailowo" gekauft haben. Auch diese Version dient der Position, dass Russland andere, bedeutendere Kunstwerke nicht zurückgeben müsse. Der "Heyduck" ist irgendwie privat nach Russland gekommen, fällt also nicht unter die Beutekunst, die die Duma als Entschädigung für die erlittenen Einbußen eigener Kultur behalten will.

Wert und Bedeutung des Gemäldes sprechen nicht für den großen Coup, der eine Wende in der Beutekunst-Politik einleitet. Moskau schafft gute Stimmung, ohne in der Substanz nachzugeben. Dresden, nun freue dich. Und ansonsten: nur Geduld mit Russland!

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