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Kultur: Bewegte Bilder zum Hören Berlinale zeigt zwei Filme in einer Sondervorführung für Blinde

Die meisten der Besucher, die im großen Saal des Zoopalast-Kinos sitzen, kennen diese Geräuschkulisse aus eigener Erfahrung: Kurze, harte Stichgeräusche prasseln in dichter Folge aus den Lautsprechern, darüber spricht eine Stimme gedehnt und laut Bruchstücke eines Satzes. Nur die Sehenden brauchen an dieser Stelle die Zusatzinformation des Bildes: Die Sequenz aus dem iranischen Film "Die Farbe des Paradieses" beschreibt ein Diktat in einer Blindenschule, und das Publikum besteht bei dieser Nachmittagsvorführung im Rahmen des Berlinale-Kinderfilmfestes vor allem aus Blinden.

Die meisten der Besucher, die im großen Saal des Zoopalast-Kinos sitzen, kennen diese Geräuschkulisse aus eigener Erfahrung: Kurze, harte Stichgeräusche prasseln in dichter Folge aus den Lautsprechern, darüber spricht eine Stimme gedehnt und laut Bruchstücke eines Satzes. Nur die Sehenden brauchen an dieser Stelle die Zusatzinformation des Bildes: Die Sequenz aus dem iranischen Film "Die Farbe des Paradieses" beschreibt ein Diktat in einer Blindenschule, und das Publikum besteht bei dieser Nachmittagsvorführung im Rahmen des Berlinale-Kinderfilmfestes vor allem aus Blinden. Zum überwiegenden Teil sind es Kinder, die im Schnitt etwa so alt sein mögen wie der achtjährige Mohammed, dessen Schicksal der Film erzählt. Für viele von ihnen ist es die erste Kinovorstellung ihres Lebens - denn normalerweise ist Film als überwiegend visuelles Medium eine Welt, von der Blinde sich ausgeschlossen fühlen. Zumindest bislang, denn das Projekt "Hörfilm" des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes setzt alles daran, das zu ändern. Wie schon im letzten Jahr bietet die Berlinale auch diesmal zwei Hörfilm-Vorstellungen an, in denen Sehbehinderte über Kopfhörer die notwendigen Zusatzinformationen als Bildersatz erhalten. "Natürlich kann so eine Beschreibung den visuellen Eindruck nicht ersetzen", gibt Projektleiterin Martina Wiemers unumwunden zu. "Doch in erster Linie geht es uns auch darum, Film und Fernsehen als zentrale Medien unserer Zeit besser für Blinde nutzbar zu machen. Das ist vor allem ein Stück kultureller Integrationsarbeit. Und in Relation zu gar nichts sind eben auch lückenhafte Beschreibungen wertvoll."

Abgesehen von den prestigeträchtigen Berlinale-Vorführungen konzentrierten sich die Bemühungen des Projekts "Hörfilm" in der Vergangenheit vorrangig auf Fernsehproduktionen mit Zweikanalton, auch weil die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten die Gelder für die Hörfilm-Aufbereitung bereitstellten, immerhin etwa 10 000 Mark pro Film. Von jeweils einer Ausstrahlung in den Jahren 1993 und 1994 ist das Programm auf 80 Filme im vergangenen Jahr angewachsen, das Fernsehprogramm im laufenden Monat umfasst beispielsweise Krimiserien wie "Ein Fall für zwei" und Klassiker wie die Miss Marple-Serie mit Margaret Rutherford. Das Fernsehen, erklärt Wiemers, werde von Blinden längst nicht nur als Informations-, sondern auch als Unterhaltungsmedium genutzt. Was im Fernsehen schon Realität geworden ist, ist für das Kino noch eine Zukunftsperspektive. "Im Moment führen wir allerdings schon Gespräche mit Verleihern und dem Verband der Kinobetreiber, den Hörfilm zur festen Einrichtung zu machen," erklärt Wiemers. Im Sommer, beim nächsten Kongress des Blinden-Verbandes wolle man so weit sein, ein technisches Konzept präsentieren zu können. Immerhin, setzt sie nach, gebe es in Deutschland 700 000 Menschen, die als Nutzer eines solchen Angebots in Frage kommen. Und die übrigen werden sich vermutlich bald daran gewöhnen müssen, dass man Filme nicht nur sehen, sondern auch nur hören kann.Die zweite Hörfilm-Vorführung, Volker Schlöndorffs "Die Stille nach dem Schuss", findet am 17. 2. um 21 Uhr im Royal-Palast statt.

Jörg Königsdorf

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