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Steine des Anstoßes. Das von Juden wie Muslimen beanspruchte Grab der Patriarchen in Hebron. Foto: AFP

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Kultur: Biblischer Zoff

Die Aufnahme Palästinas in die Unesco befeuert den Streit um Weltkulturerbestätten mit Israel

Die Deutsche Unesco-Kommission hüllt sich in Schweigen. Das Auswärtige Amt habe gebeten, keine Auskünfte im Zusammenhang mit der Aufnahme Palästinas und den finanziellen Einbußen für die UN-Organisation zu geben, heißt es. Nachdem die USA ihre Beitragszahlungen in Höhe von 70 Millionen Dollar aus Protest stoppten, haben die Kanadier am Dienstagabend angekündigt, zwar ihre Budgetbeiträge zu leisten, aber alle freiwilligen Zahlungen einzustellen. Aus Unesco-Kreisen in Paris verlautet nun, dass das Finanzloch zu erheblichen Kürzungen und Einschränkungen von Programmen in allen Sektoren führen wird. Detailplanungen gebe es noch nicht.

Israel überdenkt zwar seine Kooperation, hat bisher aber nicht angekündigt, dass es seine Zahlungen einstellen will. Dafür reagiert es auf das Votum der Unesco-Generalkonferenz, indem es 2000 neue Wohnungen im besetzten Ost-Jerusalem genehmigt und palästinensische Zoll- und Steuereinnahmen in Höhe von 72 Millionen Euro einbehält. Diese stehen eigentlich der Autonomiebehörde in Ramallah zu.

Der Kampf um historische Stätten, die für die religiöse wie nationale Identität von Israelis und Palästinensern wichtig sind, wird seit Jahren ausgetragen. Mit der Aufnahme Palästinas in die UN-Unterorganisation für Bildung und Kultur wird er sich verschärfen. Während die Aufnahme von Stätten in die Weltkulturerbeliste für Israel eine große wirtschaftliche Bedeutung hat, weil sie den Tourismus ankurbelt, so ist sie für die Palästinenser, deren Gebiete mit Ausnahme Bethlehems nur wenig besucht werden, vor allem im politischen Kampf um eine eigene Identität und Geschichte von Belang.

Die Palästinenser hatten schon 2009 in ihrem Zwei-Jahres-Plan zur Schaffung staatlicher Strukturen auch das Ministerium für Antiquitäten und Tourismus aufgewertet. Israel reagierte damals, indem es 2,6 Millionen Dollar zusätzlich für Kulturtourismus in der besetzten Westbank und Jerusalem zur Verfügung stellte. Zu Beginn dieses Jahres hatte die Palästinenserbehörde den Antrag gestellt, die Geburtskirche in Bethlehem, die Christen aus aller Welt als Geburtsort Jesu verehren, sowie den dorthin führenden Pilgerpfad auf die Weltkulturerbe-Liste zu setzen. Dies wurde zunächst mit der Begründung zurückgewiesen, die Palästinenser hätten keinen eigenen Staat. Kurz darauf verpflichtete Israel Diplomaten und Studenten zu Besuchen an historischen Stätten in den besetzten Gebieten, um seine eigenen Ansprüche deutlich zu machen.

Am heftigsten umstritten sind zwei Stätten, die sowohl von Muslimen wie Juden verehrt werden und die beide auf palästinensischem Land liegen: die Patriarchengräber in Hebron, in denen Abraham, Isaak, Jakob und ihre Frauen begraben sein sollen, sowie das Grab der Rachel bei Bethlehem. Im Oktober 2010 hatte der Exekutivrat der Unesco bereits erklärt, beide Orte seien Bestandteil der besetzten Palästinensergebiete. Die Regierung des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu wiederum bezeichnete die Kulturstätten als israelisches Nationalerbe und nahm sie in einen Pflege- und Restaurierungs-Plan auf.

Die Frage von Antiquitäten und historischen Stätten sollte eigentlich in den Endstatusverhandlungen zwischen beiden Seiten geklärt werden – im Oslo-Friedensvertrag war ein eigenes Komitee dafür vorgesehen. Doch so weit sind die Verhandlungen nie gekommen. Israel vertritt den Standpunkt, dass Stätten, die für die nationale oder jüdische Identität wichtig sind, zu Israel gehören – auch wenn sie außerhalb der Landesgrenzen liegen. Palästinenser dagegen argumentieren, dass entscheidend sei, auf wessen Territorium sich die jeweilige Stätte befindet. Andrea Nüsse

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