zum Hauptinhalt

Kultur: Bildung: Kein Anfang vom Ende

Ein guter Kompromissvorschlag mutet keiner der streitenden Seiten den Gesichtsverlust zu. Das Bundesverfassungsgericht hat soeben zum LER-Streit einen solchen Kompromissvorschlag unterbreitet.

Ein guter Kompromissvorschlag mutet keiner der streitenden Seiten den Gesichtsverlust zu. Das Bundesverfassungsgericht hat soeben zum LER-Streit einen solchen Kompromissvorschlag unterbreitet. Alle Achtung.

Das Land Brandenburg braucht die Konzeption von LER nicht umzustoßen. Auch bisher konnten sich Teilnehmer am Religionsunterricht von LER abmelden, für diese ist das jetzt vereinfacht möglich, das erspart mögliche Situationen der Bloßstellung. Den Kirchen wird zugestanden, dass der Religionsunterricht wie ein ordentliches Schulfach behandelt wird. Daran ist vielerlei wichtig: erstens dass die Toleranz, die sich LER auf die Fahnen geschrieben hat, nicht nur abstrakt im Klassenzimmer, sondern auch konkret im Lehrerzimmer praktiziert werden muss. Die Religionslehrer dürfen an den schulischen Beratungsgremien teilnehmen.

Auf den Zahn fühlen

Zweitens ist dokumentiert, dass es auch bei der christlichen Religion etwas zu lernen gibt. Auf Wunsch der Kirchen und Eltern dürfen auch Noten erteilt werden. Drittens ist anerkannt, dass Kenntnisse in der christlichen Religion am besten von denjenigen vermittelt werden, die selbst Christen sind und sich in Person auf den Zahn fühlen lassen bei dem, was sie vermitteln. Viertens ist die Chance geboten, Heranwachsende, die den Kinderglauben hinter sich haben, noch einmal mit der christlichen Religion zu befassen, mit Gründen, Anfragen und Zweifeln. Das ist der kirchlichen Christenlehre, die mit vierzehn Jahren abschloss, kaum möglich gewesen.

Das Land Brandenburg muss zurückstecken bei dem Anspruch: In Sachen Werteorientierung gibt es nur ein ordentliches Schulfach, Punkt. Das war ja auch weder allzu demokratisch noch allzu pluralistisch gedacht und roch allzu sehr nach DDR: die Schule muss den Kindern die richtige Weltanschauung vermitteln. In Wahrheit muss die Schule Kenntnisse und die Fähigkeit vermitteln, sich selbst zu orientieren - und damit leben zu lernen, dass andere sich anders orientieren.

Ein bisschen Gottvertrauen

Die Kirchen müssen zurückstecken bei dem Anspruch, es müsse beim Entweder-Oder bleiben: Wahl zwischen LER (oder Ethik) oder Religionsunterricht. Wer will, kann beides besuchen. Das könnte den Unterricht in beiden Fächern beleben und am Ende sogar zu kooperativen Veranstaltungen führen. Dies weicht von der Praxis in den anderen Bundesländern ab und die Besitzstandswahrer könnten das Dammbruchargument gebrauchen. Ich möchte davon abraten. Wenn sich diese Praxis bewährt, und dazu müssen nun alle beitragen, dann werden diejenigen keine Chance haben, die diese Abweichung vom sonst Üblichen als Anfang vom Ende des Religionsunterrichts in den Schulen deuten. Ein bisschen Gottvertrauen kann nie schaden!

Der Autor ist Professor für Theologie an der

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false