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Kultur: Bildungsminister Steffen Reiche gäbe sich mit einer historischen Fassade zufrieden (Interview)

Steffen Reiche ist Vorsitzender der Brandenburger SPD und bekleidet zugleich das Amt des Bildungsministers. Der seit langem in Potsdam wohnende Befürworter des Schlossaufbaus war zuvor Kulturminister.

Steffen Reiche ist Vorsitzender der Brandenburger SPD und bekleidet zugleich das Amt des Bildungsministers. Der seit langem in Potsdam wohnende Befürworter des Schlossaufbaus war zuvor Kulturminister.

Wie kommt es, dass sich in Potsdam kaum Widerstand gegen die aktuellen Aufbaupläne für das Stadtschloss regt, obwohl solche Gedankenspiele noch vor einigen Jahren auf strikte Ablehnung in der Bevölkerung stießen?

Steffen Reiche: Der Schmerz über die verlorene Mitte der Stadt ist für die Potsdamer spürbarer geworden. Es gibt viele Wiederentdeckungen, nicht nur in den Schlössern und Gärten, sondern auch durch die vielen sanierten Häuser, durch den teilweise freigelegten Stadtkanal. Plötzlich werden der verschüttete organische Grundriss, das einzigartige Ambiente dieser Stadt wieder erlebbar - und die Leere am Alten Markt um so bedrückender. Zum anderen haben die Scheußlichkeit der DDR-Gebäude ringsum, Bausünden, aber auch prominente NeuPotsdamer wie Joop und Jauch, Medienleute und Ministeriale den Bewußtseinswandel befördert.

Ist das bisher nicht nur eine Euphorie der Politiker, der Medien, der Bildungsbürger?

Sicher, bei vielen Potsdamern ist es eher noch ein distanziertes Abwarten, was gegenüber der früheren Ablehnung der alten Wahrzeichen schon bemerkenswert ist. Und das kippt jetzt deutlich: Das bundesweite Medienecho ist natürlich hilfreich, es fördert den Stolz der Bewohner, die sich bislang immer das Potsdam-Center oder Jammerlappigkeit vorhalten mussten. Plötzlich werden die Potsdamer den Berlinern als Vorbild hingestellt - wohl das erste Mal seit zwei Jahrhunderten. Und die Potsdamer sehen natürlich, wie das Beispiel des Aufbaus der Dresdner Frauenkirche ausstrahlt, aber auch, wie ewige, ergebnislose Schloss-Debatten à la Berlin abschrecken können.

Ist das womöglich der tiefere Grund, weshalb selbst die Potsdamer PDS - zweitstärkste Kraft im Rathaus - in der Schlossdebatte vorsichtig einschwenkt und für einen "historisierenden Aufbau" eintritt?

Die PDS hat natürlich ein ambivalentes Verhältnis zum Schloss, da ihre SED-Vorgängerpartei für diese leere Mitte verantwortlich ist. Verständlich, dass die PDS bei den Gewinnern sein will. Ich bin froh darüber. Man sollte nicht nachkarten, sondern ihnen die Hand reichen.

Potsdams Stadtkonservator Andreas Kalesse mahnt nicht nur einen absolut detailgetreuen Aufbau der Schlossfassade, sondern auch im Inneren eine möglichst authentische Struktur an.

Das ist der typische Maximalismus, der den Mut der Stadtverordneten und des Oberbürgermeisters wieder kaputtmachen würde. Eine solche Position verkennt, dass wir hier etwas anderes brauchen: Nämlich einen internationalen Wettbewerb, bei dem Knobelsdorff und Schinkel mit in der Jury sitzen. Beide waren in ihrer Zeit auch modern und haben nicht rein auf das Alte gesetzt.

Das heisst, die Fassade sollte gar nicht komplett rekonstruiert werden?

Die Fassade muss mindestens auf zwei Seiten, zur Nikolaikirche und zum Alten Rathaus, sehr detailgetreu sein. Wenn noch mehr möglich ist, um so besser. Das kann man dem Entwurf der Architekten überlassen. Man darf das Schloss nicht durch Überforderungen kaputtmachen.

Aber in Dresden wird die Frauenkirche auch originalgetreu aufgebaut und nicht als billiges Fertigteil-Imitat der Betonindustrie?

Dort ging es um etwas anderes: Man wollte mit den Trümmern, die am selben Ort waren, die neue Kirche aufbauen. Vom Stadtschloss gibt es, bis auf einige Reste im Boden, und einige erhaltene Fragmente, nichts mehr. Potsdam sollte nicht Disneyworld spielen.

Das heisst, der "glühendste Schlossbefürworter" (Reiche über Reiche) ist strikt gegen eine originalgetreue Schloss-Kopie?

Ja, ganz eindeutig, weil das nicht finanzierbar ist, wir können uns kein neues Museumsschloss leisten. Mein Position ist klar: Außen die historische Fassade, so weit wie möglich. Innen muss das neue Gebäude auf die neue Nutzung eingestellt sein. Man darf nicht vergessen, dass Potsdam in den nächsten Jahren nicht nur das Schloss anpacken, sondern noch viele hundert Millionen Mark in die Rettung maroder Denkmale der Innenstadt stecken muss.Das Interview führten Michael Mara und Thorsten Metzner

Wie kommt es[dass sich in Potsdam kaum Widerstand]

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