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Rebell mit grauen Schläfen. Dennis Hopper 1991 im Film "Indian Runner".

© picture-alliance/KPA

Biografie Dennis Hopper: Der letzte Cowboy

Sein Leben bestand aus Abstürzen, Peinlichkeiten und Triumphen: Dennis Hopper war ein Außenseiter in Hollywood und doch ein Star. Nun feiert eine großartige Biografie den Schauspieler und Regisseur.

Er bewegt sich wie ein Schakal, sein Blick flackert. Dass der Fotoreporter, den Dennis Hopper in „Apocalypse Now“ spielt, irre ist, wird beim ersten Hinsehen klar. Er hat sich ein rotes Tuch um die strähnigen Haare geknotet, vorm Bauch baumeln sechs Kameras. Und er redet ohne Unterlass, ein Stakkato an der Grenze zum Sprechgesang, das später Rapper wie Ice T. inspirieren sollte. Die Frage war: Verkörperte der Schauspieler bloß verdammt gut einen Verrückten – oder war er selber verrückt geworden?

Hopper duschte damals nicht und wusch auch seine Kleider nicht. Deshalb war er auf dem Set immer schon von Weitem zu riechen. Die Dreharbeiten fanden auf den Philippinen statt, wo 1978 gerade das Kriegsrecht ausgerufen worden war. Selbstverständlich hielt sich Hopper nicht an die Ausgangssperre und trieb sich nachts im Dschungel herum. Aus dem Hotel, in dem der Rest der Crew wohnte, hatte er ausgecheckt und war in die Tempelkulisse gezogen. Sie ähnelte Angkor Wat. Dort spukte der Geist des dämonischen Colonel Kurtz, der von Marlon Brando dargestellt wurde.

Beim Dreh von "Apocalypse Now" warf Marlon Brando Bananen nach Dennis Hopper

Brando war für Hopper ein unerreichtes Vorbild, beinahe ein Gott. Doch Brando demütigte Hopper, indem er, wenn er in der Kantine von ihm angesprochen wurde, einfach wortlos weiter aß. Brando weigerte sich auch, zusammen mit Hopper in einem Raum gefilmt zu werden. Dann erklärte er sich doch dazu bereit – unter der Bedingung, dass er ihn mit Sachen bewerfen dürfe. So entstand eine Szene, in der sie das Gedicht „The Hollow Men“ von T. S. Eliot rezitieren. Und Brando schleudert Bananen auf Hopper.

Wahrscheinlich gibt es kein zweites Schauspielerleben, das so von Abstürzen, Niederlagen und Peinlichkeiten strotzt wie das von Dennis Hopper. Wobei die Tiefpunkte bei ihm immer wieder auch Ausgangspunkt für die akrobatischsten Aufschwünge waren. Seine darstellerische Leistung in Francis Ford Coppolas Vietnamkriegsfilm „Apocalypse Now“ ist bemerkenswert. Über den 2010 verstorbenen Schauspieler kursieren endlos viele Legenden und Anekdoten. Die Filmdatenbank IMDB führt neben seinen neun Regiearbeiten und 201 Filmen, in denen er oft in kleinen bis kleinsten Rollen zu sehen war, auch 226 Einträge als „er selbst“ auf, Dokumentationen und TV-Shows, in denen er über sein Leben Auskunft gab.

Erstaunlich, dass eine umfassende Biografie über Dennis Hopper bislang fehlte. Diese Lücke schließt der New Yorker Autor Tom Folsom nun mit einem fulminanten Buch, das auf Gesprächen mit mehr als hundert Freunden und Weggefährten des Hollywood-Outsiders beruht. Folsom nähert sich dem Maniac auf kongeniale Weise, in einer vorwärtsdrängenden, mitunter fiebrigen Sprache und mit einer beinahe romanhaften Darstellung.

Es passt, dass Hopper in Dodge City, Kansas, zur Welt kam. Für Horden von Cowboys war es einst Endstation der Viehtriebe und galt als „verworfenste Stadt Amerikas“. Mit 16 spielt er Theater in Pasadena, aber er scheint prädestiniert für die Leinwand. „Er besaß diese blauen Augen – irre, aber irgendwie auch lieb“, schreibt Folsom. „Und dieser große Kopf, Stars hatten immer große Köpfe.“ In Hollywood ergattert Dennis Hopper Jobs in ein paar Fernsehserien, dann scheint er das große Los gezogen zu haben: Er bekommt einen Vertrag mit Warner Brothers und Rollen in zwei Filmen, die zu Klassikern werden, „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ und „Giganten“.

John Wayne warnte ihn vor Drogen, vergeblich

Auf dem Set freundet er sich mit James Dean an, der ihm einen neuen Realismus und den Verzicht auf jedes Pathos beibringt. Der Trick besteht darin, nicht zu spielen, sondern „nur zu sein“. Nach dem Unfalltod des Freundes nannte das Magazin „Variety“ ihn den „nächsten James Dean. Auf Fotos posiert er als Napoleon. Doch als Hopper bei der Arbeit an einem Western in der Manier des Method-Schauspielers mit Henry Hathaway über seine Rolle diskutieren will, lässt der Regisseur ihn eine Szene 86 Mal spielen, bis sie exakt so ist, wie sie sein soll. Und Hathaway droht: „Junge, eins kann ich dir versprechen. In dieser Stadt arbeitest du nie wieder.“

Woraufhin Hopper viel Zeit am Swimmingpool verbringt, dabei Nietzsche liest und seinen Drogenkonsum steigert. Dabei warnt ihn John Wayne: „Lass die Finger von diesem Teufelskraut.“ Gegenüber dem Regisseur George Cukor formuliert Hopper eine Kampfansage: „Ihr seid das alte Hollywood und wir sind das neue. Wir werden euch einsargen.“ Wie der Schauspieler dann zur treibenden Kraft bei der Entwicklung eines langhaarigen, gegenkulturellen New Hollywood wird, das hat der Filmhistoriker Peter Biskind bereits in seinem epochalen Buch „Easy Riders, Raging Bulls“ geschildert. Das von Hopper in sieben Wochen inszenierte Biker-Roadmovie „Easy Rider“ kostet 340 000 Dollar und spielt mehr als 50 Millionen Dollar ein. Seinen Koautor und Darstellerkollegen Peter Fonda, den er eben noch liebte „wie einen Bruder“, verklagt er gleich nach Drehschluss.

Triumph und Absturz. Für seinen nächsten Film bekommt Hopper freie Hand vom Studio, doch um ein Haar ruiniert er seine Karriere. Dieser Film soll, so Folsom, „ein Omega zum Alpha des Kinos, ein Jüngstes Gericht der Leinwand“ werden. Er heißt „The Last Movie“, ist ein seltsamer Western und entsteht in einem schwer zugänglichen Dorf in Peru. Hopper trägt einen silbernen Kokslöffel wie ein Kruzifix um den Hals, lässt die Dialoge improvisieren und verzichtet darauf, ein Ende zu drehen. Später kauft er in Taos in New Mexico ein Haus und arbeitet zwei Jahre am Schnitt. „The Last Movie“ wird zum Desaster und zum Mythos. Hoppers Ehe mit der Sängerin Michelle Phillips hält acht Tage. Nachdem er auf einen Baum geschossen hat, den er für einen Bären hielt, wird er von der Polizei verhaftet.

Dennis Hopper war auch ein begabter Maler, herausragender Fotograf und großer Kunstsammler, befreundet mit Andy Warhol und Marcel Duchamp. Wegen seines exzessiven Drogenkonsums wurde ihm schon früh prophezeit, in zwei Jahren tot zu sein. Seine größte Leistung, konstatiert Folsom, war der Sieg über die Drogen. Nüchtern gelingt dem Schauspieler ein Comeback, angefangen mit seinem Auftritt als Serienmörder Frank Booth in Davis Lynchs Thriller „Blue Velvet“ (1986). Bevor er mordet, nimmt dieser Booth einen tiefen Zug aus einer Vinylmaske. „Wenn jemand wissen will, was ich durch die Maske inhaliert habe“, sagte Hopper, „antworte ich – Lee Strasberg.“

Tom Folsom: Dennis Hopper. Die Biografie. Aus dem Amerikanischen von Teja Schwaner. Karl Blessing Verlag, München 2013. 415 S., 22,99 €.

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