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Kultur: Bis in die Gegenwart hinein

1961 eröffnete Walter Ulbricht das frühere Konzentrationslager Sachsenhausen als Gedenkstätte. Es wurde ein Staatsakt.

1961 eröffnete Walter Ulbricht das frühere Konzentrationslager Sachsenhausen als Gedenkstätte. Es wurde ein Staatsakt. Vor das Eingangstor zum Lager „Arbeit macht frei“ hatte die DDR ein neues Museum gebaut, das „Museum des antifaschistischen Freiheitskampfes der europäischen Völker". Die Juden kamen darin nicht vor. Nicht, weil man sie vergessen hatte, die DDR glaubte, die Juden gehören zu den Holländern, den Franzosen - sie kommen überall vor.

In Israel sah man das anders, der Eichmann-Prozess stand bevor - und die DDR baute auf Drängen des Rabbinersohns und Politbüromitglieds Albert Norden schnell zwei jüdische Baracken als Museum um. Die Ausstellung „Antifaschistischer Freiheitskampf der europäischen Völker“ gibt es nicht mehr, aber die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten hat den Museumsbau vor dem Lagertor jetzt restauriert und mit zwei Dauerausstellungen wiedereröffnet. Es sind Ausstellungen, die zum „Davor“ und „Danach“ des Konzentrationslagers Sachsenhausen gehören.

Sachsenhausen hatte als erste KZ-Gedenkstätte 1997 seine eigene Geschichte zum Thema einer Ausstellung gemacht. Das Thema reicht unmittelbar in die Gegenwart hinein. Es geht um den Antifaschismus in der DDR. Ein zentraleres Thema gibt es nicht, wenn es um die geschichtliche Einordnung der DDR geht. Denn im Grunde war sie ein ägyptizistisches Staatswesen: Eine Herrschaft der Toten über die Lebenden. Daher ihre rituellen Formen des Gedenkens. Es gab einen regelrechten Gedenkkalender in Sachsenhausen: angefangen mit der Jugendspartakiade über den Internationalen Frauentag, den Tag der Nationalen Volksarmee hin zum Sachsenhausen-Gedenklauf. Das Zuviel entmächtigte das Gedenken der Opfer.

Die Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion in Brandenburg Beate Blechinger sprach von Geschichtsfälschung und „Ausblenden anderer Opfergruppen“ und sah den ebenfalls zur Museums-Eröffnungsdiskussion geladenen Berliner PDS-Kultursenator Flierl herausfordernd an. Der blickte begütigend zurück und stimmte Beate Blechinger fast in allen Punkten zu. Nur gäbe die Abrechnung mit dem DDR-Antifaschismus keine Orientierung für heute und dass der neue Ost-Rechtsradikalismus eine wesentliche Wurzel im DDR-Antifaschismus habe, das glaubte Flierl auch nicht so ganz. Der Kultursenator stand ganz unter dem Bann des Gedankens, dass wir keinen unmittelbaren Zugriff auf die Geschichte haben, sondern immer nur auf Geschichten - und wir müssen aufpassen, dass sie einander nicht verdrängen.

Müssen wir aufpassen, die Erinnerung an den kommunistischen Widerstand nicht zu verdrängen, wenn wir die Zeugnisse seiner Sieg-Ideologie wegräumen? Am 11. Oktober 1944 erschoss die SS eine Gruppe von 27 internationalen Kommunisten, um jedem Widerstand die Spitze abzubrechen. Die DDR hatte den kommunistischen Reichstagsabgeordneten Ernst Schneller von der „Gruppe der 27“ in das Zentrum von Sachsenhausen gestellt. Gedenkstättenleiter Günter Morsch nahm ihn da wieder weg - nicht um Schneller vergessen zu lassen. Aber hinter seiner Geschichte sollen, wie Flierl sagte, auch die anderen hörbar werden. Kerstin Decker

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