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Kultur: Blasensprung

Joschka Fischer und Peter Sloterdijk debattieren im Haus der Kulturen der Welt über Diplomatie

Von Caroline Fetscher

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Aus seiner Verachtung der Diplomatenkaste machte der Philosoph keinen Hehl. Als Peter Sloterdijk am Samstag im ausverkauften Berliner Haus der Kulturen der Welt gegen Joschka Fischer in den Ring stieg, um über Diplomatie und globale Verständigung zu debattieren, begann er mit einem Hinweis auf die Bestattungsbranche. In dieser, erklärte der Denker süffisant, werde das edelste Sargmodell gern „Diplomat“ genannt. Dabei war ein Lacher des Publikums eingeplant, und brav brach er aus. Satte „Bohemiens“ seien die Diplomaten, ächzte Sloterdijk, Leute, die mit „organisierter Heuchelei“ ihren Champagner verdienen.

In der ersten Reihe ließ der ehemalige deutsche Außenminister seine Brille um die Hand kreisen. Später sah er häufig ungeniert auf seine Uhr. Wann würde man ihn entlassen aus diesem „Sandkasten“? Der war Joschka Fischers Metapher zu Europas weltpolitischem Dilettieren – und indirekt auch zu Sloterdijks selbstverliebtem Verbalmäandern. Fischer wollte weg, zurück zur Gastprofessur nach Princeton, in die globale Ernsthaftigkeit.

Ehrgeizig klang die Einladung zum Auftakt der Reihe „Meine Baustelle“, mit der das Haus der Weltkulturen während einer Renovierungsphase Gäste zu Diskussionsabenden lädt, die Baustelle als Chance zum Improvisieren nutzend. Ob es nicht Zeit sei, fragte der Hausherr Bernd Scherer, beide Positionen zu überdenken, die das Verhältnis des demokratischen Westens zum Rest der Welt prägen, sowohl den multikulturellen Relativismus als auch den Universalismus der Menschenrechtsmission? Ob nicht die Diplomatie der Schlüssel zum „kulturellen Dialog“ sein könne, bei dem „die Repräsentationsfunktion der Zeichen im Zentrum des Interesses“ steht?

Ohne Umschweife enttäuschte Joschka Fischer, Chefdiplomat a. D., sogleich die Adepten der Dialogidee. Debattieren, auch ein westliches Konzept, sei wenig aussichtsreich, wo die Gegenseite starr auf Prinzipien beharrt, die sie als gottgegeben proklamiert. „Dialog ist im Abendland entstanden auf dem Boden der katastrophalen Folgen der großen Religionskriege zu Beginn der Neuzeit“, dozierte Fischer. Nur aufgrund dieser „furchtbaren Verheerungen“ entstand der moderne Staat. In „Multikulti-Seligkeit eine Welt der Kooperation erdenken? Nein!“, dekretierte der Redner gestenreich. Vielmehr werde die Kooperation der sieben Milliarden Weltbürger „erzwungen“ werden, und zwar im Streit um die Ressourcen des Planeten. So weit Fischers pragmatischer Optimismus. Dass dies ohne neue Bürger- und Religionskriege geschehen werde, daran aber habe er, der säkulare Mensch, leider seine Zweifel. Neue transnationale Organisationen wünscht er sich, um – siehe Nordkorea und Iran – „den nuklearen Winter, das Jenseits von Politik“ zu verhindern. Diplomatie aber sei nur Krisenmanagement, im Zweifelsfall eines zwischen den Kriegen. Der Irak, warnte Fischer, lasse „ein Desaster“ befürchten, „man kann nur beten, dass der Zerfall des Staates nicht überspringt auf die ganze Region“, in deren gefährlicher, geografischer Nachbarschaft die Europäer sich befinden.

So gab der Diplomat weder den Bohemien für Sloterdijk ab, noch ließ er sich im Sinne der Veranstalter darauf ein, kulturelles Verhandeln mit Fundamentalisten zu erwägen. Nichts da. Grundwerte wie die Gleichberechtigung der Frauen, stünden mit ihm, Fischer, „nicht zur Disposition“. Indes suchte Sloterdijk seine Sphären und Blasen zu sortieren, und sprach in seiner Neuversion von Alfred Adler, bald hirnphysiologisch, bald esoterisch, vom „thymotischen“ Charakter zwischenstaatlicher Beziehungen. Damit meint er deren Prägung durch Narzissmen, Hysterien, Stolz und Ambitionen, eine Diagnose, die auf der Baustelle der bundesdeutschen Gegenwart auch für Fernsehphilosophen gilt. Draußen demonstrierten übrigens derweil Tausende Gewerkschafter, ohne Professorengehalt und Politikerpension, ganz banal für Arbeitsplätze.

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