zum Hauptinhalt
Kabarett

© ddp

Blüm-Sodann-Kabarett: Rentner auf dem dritten Bildungsweg

Der frühere Arbeitsminister Norbert Blüm und Schauspieler Peter Sodann versuchen sich als Kabarettisten. Während der Premiere ihrer "Ost-West Varieté Show" schwankten sie zwischen bissiger Zukunftsvision mit Josef Ackermann als Bundeskanzler und launigen Altersheimspäßchen.

In Zeiten, da es zunehmend an Fachkräften mangelt, müssen auch Quereinsteiger und Rentner wieder ran. So ähnlich dachten sich das wohl Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm (71) und der fast pensionierte "Tatort"-Kommissar Peter Sodann (70), als ihnen die Idee kam, gemeinsam ein Kabarettprogramm auf die Bühne zu bringen. Natürlich geht es in ihrer "Ost-West Varieté Show", die am Freitagabend im Berliner Admiralspalast Premiere hatte, zunächst ums Alter und ihre Zukunft als Rentner.

In Blüms und Sodanns Vision der Bundesrepublik des Jahres 2027 ist der Bundestag privatisiert und der Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann zum Bundeskanzler aufgestiegen. Und weil es zu wenig Junge gibt, werden die Alten kurzerhand in den zur "Wiederaufbereitungsanlagen für Unjunge" umbenannten Altersheimen" noch einmal ausgebildet - zum Beispiel zum Minensuchen im Großraum Islamabad.

Launige Altersheimspäßchen

Der Ex-CDU-Minister nahm bekanntlich nach seinem Rückzug aus dem politischen Tagesgeschäft schon bald Tuchfühlung mit dem Showgeschäft in Form von "Was bin ich?" und "Wer wird Millionär?" auf. Seine Humorfähigkeit wurde prompt mit dem Karnevalsorden wider den tierischen Ernst und dem Karl-Valentins-Orden belohnt.

Sodann, der sich 2005 kurzzeitig als parteiloser Spitzenkandidat auf einer offenen Liste der PDS aufstellen lassen wollte, hat im Gegensatz zu Blüm immerhin bereits kabarettistische Erfahrungen: als Mitglied des 1961 aufgelösten Leipziger Studentenkabaretts "Rat der Spötter". Damals war er wegen "staatsfeindlicher Hetze" zu einer Gefängnisstraße auf Bewährung verurteilt worden. Die Pointen seinerzeit schienen also ordentlich gepiekt zu haben.

Derlei kann Blüm und Sodann mit ihrem Duo-Programm, das sie weitgehend vom Blatt lesend und an zwei Tischchen sitzend absolvieren, allerdings nicht passieren. Der angekündigte Ost-West-Schlagabtausch verliert sich alsbald in altbekannten Vorurteilen und abgestandenen Ressentiments, die sich schließlich in freundschaftlichem Wohlgefallen auflösen. Die Rahmenhandlung wiederum, die eigentlich perfide Idee einer ganz auf Kommerzialität und Effektivität ausgerichteten Diktatur des Kapitals, verpufft und dient zunehmend nur noch für launige Altersheimspäßchen.

Konzert der Fischerchöre

Je länger sich der zweieinhalbstündige Abend hinzieht, desto mehr wird deutlich, dass Blüm und Sodann auch kein klassisches Kabarettprogramm im Sinn hatten. Vielmehr galt es den privaten Zettelkasten auf der Bühne zu entleeren, niedergeschriebene Anekdoten und biografische Episoden zu verlesen und vor allem die eigene Befindlichkeit zur Schau zu stellen. Da werden wechselseitig die Lebensleistungen gepriesen und das persönliche Gutmenschentum gefeiert. Und eh man sich versieht, sitzt der Zuschauer nicht mehr im Kabarett, sondern viel mehr im Gottesdienst.

Wurden anfangs noch im getragenen Ton Gedichte von Johann Wolfgang von Goethe ("Wanderers Nachtlied"), Ludwig Uhland und Fürchtegott Gellert rezitiert, wird nun über Gott, das Jenseits und die christliche Nächstenliebe gepredigt. Es werden Bibelstellen und das "Vater Unser" zu Gehör gebracht und Matthias Claudius' "Der Mond ist aufgegangen" intoniert.

Den Fans des "dienstältesten und kleinsten Arbeitsministers" und des Kommissar Ehrlicher-Darstellers war alles recht, sie sangen kräftig mit und verwandelten die Veranstaltung kurzerhand in ein Konzert der Fischer-Chöre. Der "betende Kommunist" (Sodann über Sodann) und der "Herz-Jesu-Marxist" (Blüm über Blüm) werden mit ihrem Programm, begleitet am Flügel von Michael Letz, noch bis 22. Dezember zu Gastspielen quer durch die Republik reisen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false