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Kultur: Blutjunge Omas

KUNST

Im gleichen Maße, wie sich durch trickreiche Computertechnik die klassische Fotografie entwickelte, hat sich auch das Verhältnis dieser Kunstgattung zur Realität verändert. Als Bilddatei auf der Festplatte wird sie in unendlich vielen Varianten manipulierbar. Mit diesen Möglichkeiten spielt die japanische Fotografin Miwa Yanagi . Ihre Werke verwandeln den Ausstellungsraum der Deut schen Guggenheim (Unter den Linden 13–15, bis 21. März; täglich 11–20 Uhr, Do. bis 22 Uhr) in einen täuschend realen, künstlichen Kosmos von hoher Perfektion. Zweigeteilt in einen hellen und einen dunklen Bereich werden 21 großformatige Fotografien präsentiert. Der Betrachter passiert im Dunkeln ein zwölf Meter langes panoramaartiges Schaufenster, hinter dem puppenhaft gestylte, kirschrot uniformierte „Elevator-Girls“ in einer surrealen Shopping-Meile posieren. Diese gesichtslosen Mädchen dienen Yanagi als Metapher für das fremdbestimmte Leben junger Frauen in der Überflussgesellschaft.

Der Anonymität der Fahrstuhl-Mädchen stellt die Künstlerin in ihrer Bildserie „My Grandmothers“ individuelle Zukunftsträume entgegen, die sie aufwändig inszeniert. So entspringt es Yukas Phantasie, als ausgeflippte Alte mit wehenden, knallroten Haaren und jungem Liebhaber auf der Harley durch die Wüste zu rasen. Minami wiederum agiert als greise Firmenchefin im plüschigen Katzenkostüm, was kaum den gängigen Vorstellungen von einem geruhsamen Lebensabend entspricht. Beide Protagonistinnen sind in Wirklichkeit blutjung. Maskenbildner und ausgefeilte Software haben die Models um fünfzig Jahre altern lassen. Die Deutsche Guggenheim zeigte nur die ersten Ergebnisse des Großmütter-Projekts von Yanagi. Die Künstlerin recherchiert noch weiterhin Wunschbilder junger Frauen und transformiert sie in tröstliche Gegenentwürfe zu einer tristen Realität.

Petra Schröck

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