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Startklar. Polly Ott in der Rolle des Partyluders London Sheraton. Foto: Eventpress Hoensch

© Eventpress Hoensch

Kultur: Bodenpersonalien

Die Neuköllner Oper hat das Stück zum Flughafen-GAU – frei nach Rossini.

Das sieht nicht gut aus. Auf der Anzeigentafel flimmert’s wild, „Waiting“ steht da, „Kaputt“ oder „No Way“. Türen gehen sinnlos auf und zu, irgendwo raucht’s. Dieser Airport ist eine Bruchbude – und da wir im Musiktheater sind, singt die Ansagerin ihre Katastrophenmeldungen im Stil barocker Passionen. Die Neuköllner Oper möchte immer ganz nah dran sein am Zeitgeschehen; meist gießt sie dazu aktuelle Stoffe in alte Schläuche. Jetzt hat man sich in „AIRossini“ den BER vorgeknöpft – und tatsächlich eine passende Oper gefunden: Gioachino Rossinis „Il viaggio a Reims“ von 1825, in der eine Gruppe Adliger die Krönung Karls X. in Paris feiern möchte, aber nicht loskommt, weil die Pferde fehlen. Mit Kharálampos Goyós (Musik), Dimitris Dimopoulos (Libretto) und Alexandros Efklidis (Regie) ist das griechische Inszenierungsteam am Werk, das 2012 in der Neuköllner Oper mit „Yasou Aida!“ einen großen Erfolg feierte.

Doch während der Witz damals wie von selbst aus der Vorlage zu fließen schien, will er dieses Mal nur mit der Brechstange kommen. Wie in „AIRossini“ alles, was irgendwie mit Gegenwart zu tun hat, übereinander geschichtet wird – Großflughafen, Attac, Occupy, Euro-Krise, Wikileaks, Billiglöhne, Arabischer Frühling, Genfood –, das ist pures Namedropping. Der Erkenntnisgewinn tendiert gegen Null.

So kommt es ganz darauf an, was die einzelnen Sänger aus ihren Rollen machen. Großartig, wie sich der (allerdings häufig zu laut singende) Tenor Richard Neugebauer als Prinz mit unaussprechlich langem Namen bereit erklärt, in der TV-Show „Das simple Leben“ einen Armen zu spielen und dann als Klempner mit halb heruntergelassenem Blaumann und antikem Edelkörper über die Bühne turnt. Ein gelangweiltes Partyluder namens London Sheraton (Polly Ott) bildet sich ein, Künstlerin und Aktivistin zu sein und singt „Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt“.

Die Mezzosopranistin Ionna Forti ist eine humoristische Allzweckwaffe, als griechische Reedertochter möchte sie ihr Land in einem Freizeitpark namens „Greeceland“ nachbauen. Und Yuka Yanagihara singt mit scharfzüngigem Sopran puccinieske Chinoiserien, wedelt mit dem Smartphone und wirbt für Apple- und Android-Widgets, alles weitgehend in Rossinis Originalklängen. Kharálampos Goyós hat die Partitur ziemlich überzeugend für vier Musiker (Flöte, Klarinette, Schlagzeug und Klavier) arrangiert.

So kann man momentweise lächeln. Derweil springt die Handlung völlig zusammenhanglos von einem Joke zum nächsten, die Vorlage zerspringt dadurch komplett. Am Ende gerät auch noch der eigentliche Handlungsort, der Flughafen, völlig in Vergessenheit. Aber das ist dann auch schon egal.

Weitere Aufführungen bis 14. Juli.

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