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Musiker des Boston Philharmonic Youth Orchestra.

© Boston Philharmonic Youth Orchestra

Boston Philharmonic Youth Orchestra: Die Profis an die Wand gespielt

Das Boston Philharmonic Youth Orchestra zeigt sich in der Philharmonie energetisch, kernig und einfühlsam - auch wenn Dvoráks Cellokonzert etwas daneben geht.

Sind die Orchestermusiker da auf der Bühne wirklich zwischen 11 und 21 Jahre alt? Unfassbar, doch so steht es im Programmheft. Das Boston Philharmonic Youth Orchestra ist in die Philharmonie gekommen, um einen Vorgeschmack aufs diesjährige „Young Euro Classic“-Festival zu geben (das vom 6.–23. August im Konzerthaus stattfinden wird): Gleich die „Festliche Ouvertüre“ von Dmitri Schostakowitsch, die das Jugendorchester unter der Leitung von Benjamin Zander zur Eröffnung ins Publikum schmettert, gerät derart kernig und energiegeladen, dass manches Profi-Ensemble vor Neid erblassen müsste.

Dieser Anfang wird allerdings von Antonín Dvoráks Violoncellokonzert leicht konterkariert, da die Bläser zu tief einsetzen und die Streicher nicht immer präzis genug auf Zanders Zeichen hören. Wirklich unbefriedigend ist die Darbietung von Natalja Gutman: Die „Königin des Cellos“ versteht es zwar, die Allegro-Passagen stimmungsvoll aufzuladen und energiereich zu beleben, doch der Adagio-Satz enttäuscht durch klangliche Grobmotorik. Die Triller klingen verschwommen, die Farben nicht satt genug. Es fehlt schlicht an nuancierter Genauigkeit, die dieses zwischen Marsch und Messe changierende Stück erfordern würde. Auch beim Zusammenspiel hapert es noch.

Volle, musikalische Emotionalität - versöhnlich und ergreifend

Nach der Pause aber scheinen die jungen Musiker wie ausgewechselt, viel selbstbewusster und mutiger: Béla Bartóks Konzert für Orchester, das 1943 der Chefdirigent des Boston Symphony Orchestra Serge Kussewizky in Auftrag gegeben hat, erklingt als fantastischer Parforceritt durch alle Register menschlichen Fühlens: Das Orchester schält aus dem Stück, das Bartók in schwer krankem Zustand komponierte, Hoffnung, Trauer, Glück, Leid und immer wieder diesen alles sprengenden Witz heraus, der besonders in der Verballhornung von Schostakowitschs 7. Sinfonie im vierten Satz zum Ausdruck kommt.

Ein versöhnlicher Abschluss, nicht nur in musikalischer Hinsicht. Denn kurz vor Schluss erzählt Benjamin Zander davon, dass während des Holocaust acht seiner Familienmitglieder ermordet worden sind. Einige Stolpersteine erinnern heute daran. Mit dem Auftritt in Berlin gehe für ihn ein Herzenswunsch in Erfüllung – den der Amerikaner mit einer Zugabe von Edward Elgar ausklingen lässt, aus den seinen Freunden zugeeigneten „Enigma-Variations“. Ein ergreifender, dem Leben zugewandter Abend.

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