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Autor Paul Auster.

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Briefe von J.M. Coetzee und Paul Auster: Für immer sollt ihr Freunde sein

J.M. Coetzee und Paul Auster sind als Autoren höchst ungleiche Freunde. Ihrem Briefwechsel, der nun als Band erscheint, ist das nicht anzumerken.

Von Gregor Dotzauer

Wie oder gar ob man diese brieflichen Plaudereien lesen würde, wenn sie nicht von zwei weltberühmten Schriftstellern stammten, ist eine müßige Frage. Sie tun es nun einmal, und so, wie die Werke von J.M. Coetzee und Paul Auster in einem inneren und äußeren Zusammenhang stehen, gibt es auch keinen luftleeren Raum, der ihrer Korrespondenz nicht einen besonderen Stellenwert zuweisen würde.

Schon dass es eine literarische Anziehungskraft zwischen beiden gab, bevor sie einander 2008 persönlich kennenlernten, ist eine bemerkenswerte, weil unwahrscheinliche Fügung. Obwohl sie mit Samuel Beckett einen Hausgott teilen, sind sie als Autoren nämlich höchst ungleiche – und ungleichgewichtige – Freunde. Auster, Jahrgang 1947, neigt seit Jahren zu postmoderner Konfektionsware, der sieben Jahre ältere Coetzee dagegen erarbeitet sich mit jedem Buch neue Themen und Formen.

Das Überraschende der Briefe aus den Jahren 2008 bis 2011 ist, dass ihnen dies nicht anzumerken ist, ja dass Auster als der entspanntere, befreitere und anekdotisch pointiertere Schreiber auftritt. Es geht weniger um Gott als um die Welt, dies aber in allen Schattierungen: um Sport im Fernsehen, Schlaflosigkeit, Inzest und Geschlechterrollen, um die Finanzkrise und das Radfahren, das Coetzee in seiner Freizeit mit Begeisterung betreibt, das Elend der amerikanischen Politik und den Begriff der Freundschaft. Hin und wieder geht es auch um Literatur und den angeschlossenen Betrieb, der sie zu mehr oder weniger strapaziösen Reisen anstiftet. Der Ton wechselt dabei munter vom Erzählenden ins Reflektierende, und selbst Großthemen wie die israelisch-palästinensische Tragödie, die Auster als Jude und Coetzee als emigrierter Südafrikaner betrachtet, setzen bei allem Ernst kein pathetisches Gewicht an.

Coetzee und Auster scheuen allzu Privates

Die hier schreiben, tun dies als Bürger der USA beziehungsweise Australiens. In ihrem vermutlich von Anfang an auf Publikation angelegten Austausch scheuen sie höchstens allzu Privates – obwohl man sie so persönlich noch nie gelesen hat. Nicht einmal Austers eindrucksvolles „Winterjournal“, der Versuch, sich als körperlich alternden Mann zu beschreiben, erreicht diesen Grad an bekenntnishafter Alltäglichkeit. Das ist umso aufregender, als Coetzee in seinen Romanen alles daran setzt, von Meinungen, Botschaften und Positionen Abstand zu nehmen – und nur in seinen literarurwissenschaftlichen Essays rein analytisch argumentiert und klare Urteile fällt.

Mit „Tagebuch eines schlimmen Jahres“ hat er einen ganzen Roman darüber verfasst, wie lächerlich sich die Autorität intellektueller Überzeugungen ausnehmen kann. Und aus seiner autobiografischen Trilogie hat er sich von „Ein Junge“ über „Die jungen Jahre“ bis zum „Sommer des Lebens“ erst in der dritten Person objektiviert und schließlich – als imaginierter Toter – ironisch herausgeschrieben. Dieser Band zeigt amüsant und gedankenreich, dass in einem Leben für Haltung und Meinungsverweigerung Platz sein muss.

J.M. Coetzee/ Paul Auster: Von hier nach da. Briefe 2008 – 2011. Aus dem Englischen von Reinhild Böhnke und Werner Schmitz. Fischer TB, Frankfurt/M. 2014. 286 S., 14,99 €.

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