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Kultur: Brot und Tod

„Sechzehn Verletzte“ im Berliner Admiralspalast

Die kleine Bäckerei in Amsterdam ist ein ruhiger, friedlicher Ort. Hier scheint bescheidenes Leben möglich, herrscht Verständnis für Menschen, auch wenn sie anders sind. Aber die Idylle trügt. In seinem Stück „Sechzehn Verletzte“ stellt Eliam Kraiem die Ruhe, die Sicherheit im festen Gefüge des kleinen Handwerksbetriebs in Frage. Wohin Menschen auch immer die Flucht gelungen sein mag, sicher sind sie nicht. Sie können ihre Geschichte und die Geschichte derer, zu denen sie gehören, nicht abschütteln. Hans, der jüdische Bäcker, ist vor den Nazis nach Amsterdam geflohen, was er erlebte, gibt er nur mühsam oder gar nicht preis.

Mahmoud, der von Hooligans durch seine Schaufensterscheibe geworfen wird, ist Palästinenser. Der Bäcker und der Wurzellose bleiben zusammen. Mahmoud verliebt sich in die junge Gehilfin, die dann ein Kind von ihm erwartet – und folgt dennoch dem Auftrag, ein Attentat zu begehen. Das Radio meldet: Selbstmordanschlag in einer Amsterdamer Synagoge. Ein Toter, sechzehn Verletzte ...

Eliam Kraiem zeigt, wie nahe der Ausgleich zwischen gegensätzlichen Positionen politischen und religiösen Bekennens sein kann – und wie weit entfernt. Resignation liegt über dem Stück – der einzelne vermag zu wenig, er schleppt „die anderen“ immer mit sich. Albert Lang verweigert sich in seiner Inszenierung an den Hamburger Kammerspielen, die jetzt im Studio des Berliner Admiralspalastes zu Gast ist, dieser Bitterkeit nicht.

Michael Degen, der den Bäcker spielt, gibt den Vorgängen eine leise Trauer. Er zeigt einen Menschen, der gefasst und ruhig ist, dabei neugierig und humorvoll. Gelassen, fast beiläufig geraten die Gespräche mit dem jungen Mahmoud – aber bei Degen ist immer gegenwärtig, was den Juden geschehen ist. Es gibt auch Ausbrüche hellen Zorns, wenn der terroristische Wahn Amsterdam – und die kleine Bäckerei – erreicht.

Degen bestimmt die Aufführung, gibt ihr gerade durch die Leichtigkeit und Nachdenklichkeit seines Spiels Gewicht. Ohne Mehdi Moinzadeh, der den Mahmoud impulsiv, leidenschaftlich, mit nur mühsam unterdrückter Kraft und Leidenschaft spielt, käme die mitunter fast geheimnisvolle Zurückhaltung des Bäckers von Michael Degen nicht in so ernsthafte Prüfung. Moinzadeh zeigt einen jungen Mann, der von der eigentümlichen, besänftigenden Atmosphäre der Bäckerei gefangen wird, Sensibilität in sich entdeckt, fast Frieden findet in der Beziehung zur jungen Frau.

Vom 20. bis 22. und 26. bis 29. 10. sowie vom 31. 10. bis 4. 11.

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