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Kultur: Buben und Könige

Ein

von Jan SchulzOjala

Schon das Logo: Sechs Buchstaben, knallorange auf Schwarz, bisschen zerlöchert, wie schnell mal auf die Hauswand gesprüht. Oder der Titel im Vorspann: ein riesigrotes X ritschratsch über die Leinwand gefetzt und daneben „creative pool“, hingetackert wie mit der elektrischen Schreibmaschine. Der energische Alternativlook hat längst die Patina der Neunzigerjahre – und elektrisiert doch im Kino, immer wieder.

Heute feiern die X-Filme in Berlin ihr Zehnjähriges. Kein Alter eigentlich. Für eine Filmproduktionsfirma schon. Zehn Jahre reichen, um in wilden Boom- und Krisenjahren mal eben abzukratzen. Oder um erwachsen zu werden, respektabel erwachsen. Mit Verstand, aber auch mit Glück, wenn es mal eng wird. Und es war eng, immer wieder.

Ein sehr westberlinisches Männerquartett hatte sich da gefunden, ganz am Anfang – vier Skatbuben, die alle auf ihre Weise stechen. Stefan Arndt kam vom Kino Sputnik Wedding und nannte sich fortan Produzent. Tom Tykwer betrieb das Kreuzberger Moviemento und hatte gerade „Die tödliche Maria“ im Kino, einen leisen Geniestreich. Dani Levy war mit ein paar wilden kleinen Berlinfilmen hervorgetreten. Wolfgang Becker, der einzige Nicht-Autodidakt der Gruppe, hatte von Aufträgen fürs Fernsehen genug. So probierten sie ihren Traum: United Artists, made in Berlin.

Das Konzept ist aufgegangen, zunächst zögernd, dann rasant. Erst sprintete das deutsche Kino mit Tykwers „Lola rennt“ in einen neuen Boom jenseits der Beziehungskomödie. Lolas Kreativenergie zündete sogar in Amerika – beim Publikum und beim Produktionsriesen Miramax, der zeitweise mit den X-Filmern zusammenarbeitete. Bald kam der deutsche Großbörsianer Senator-Film hinzu. Doch das Team um Stefan Arndt, verstärkt um die Produzentinnen Maria Köpf und Manuela Stehr, hielt die Risiken des schnellen Fremdgeldes schlau auf Distanz. Um alsbald mit Wolfgang Beckers „Good Bye, Lenin!“ aus eigener Kraft einen atemberaubenden Hit zu landen. Seitdem findet die Welt auch deutsches Kino wieder spannend.

Sowas strahlt. Und strahlt aus. Knapp 20 Filme sind fertig, rund zehn stehen bevor – und längst schart die Anfangsformation, heute Pokerkönige zwischen vierzig und fünfzig, jüngere Regisseure wie Hendrik Handloegten, Sebastian Schipper oder Achim von Borries um sich. X-Filme lebt, und wie. Macht nichts, wenn da die Regisseure der ersten Stunde mal beiseite treten.

Demnächst ziehen die X-Filmer aus ihrem Bülowstraßen-Loft vielleicht in was Größeres. Das Filmen ist eine Baustelle: Das Haus wird größer, aber nie richtig fertig. Schön so: wie das Leben.

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