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Buddenbrooks: Krasse Familie

Caroline Fetscher macht einen Lesevorschlag für die Schulen: "Buddenbrooks".

Geplagte Lehrer klagen, ihre Schüler wollten partout nicht lesen. Alte Bücher? Voll krass langweilig! Vor allem literarische Stoffe können Lehrer an ihre Klientel kaum herantragen, zumal an Kinder mit sogenanntem migrantischen Hintergrund. Dabei gibt es mindestens einen Roman, der jetzt wieder Furore macht, dessen Sprengkraft sich für den modernen Unterricht erschließen ließe.

Es geht darin um einen Familienclan, um Ruhm und Ruf einer Sippe, um Zwangsheirat statt Liebesheirat, gute oder liederliche Söhne und Töchter. In diesem monumentalen, orientalischen Epos präsidiert ein stolzer, traditions bewusster Patriarch über die Seinen in einer kleinen Stadt am Meeresrand. Die Mutter hält sich im Hintergrund auf, Vaters Anliegen ist es, dass seine Söhne tüchtige Geschäftsleute werden und die Töchter züchtige Partien machen. Von Herumtreiberei und Dekadenz hält er nichts. Die Tochter will einen daher gelaufenen Niemand ehelichen? Kommt nicht infrage. Einen Geschäftsfreund des Vaters soll sie zum Mann haben, auch wenn sie von ihm sagen wird: „Er war mir immer widerlich.“ Status, Erbe, Prestige und Ehre der Familie, all das geht vor. Zu kämpfen hat die Familie mit der ein brechenden Moderne, die sie nicht vollends durchschaut. Seinem Schwiegersohn schaut der Patriarch in die Geschäftsbücher, die Söhne hält er zu merkantilem, frommem Lebenswandel an, worauf sich aber nur einer einlässt. An ihm hängt der Fortbestand des Clans, er selber hadert mit einem Sohn, der den Härten der Realität nicht gewachsen ist. Lehrstückhaft mündet das Epos in eine Tragödie, die mehrmals verfilmt wurde und eben wieder neu ins Kino gekommen ist, mit bunten Kostümen und üppigem Aufwand.

Nun gut, es ist kein orientalischer Roman. Es handelt sich um „Buddenbrooks“, einen urdeutschen Klassiker der Moderne. Aber eins müssen wir doch zugeben: Den Stoff hätte man ebenso in Ostanatolien literarisieren und verfilmen können oder in Saudi-Arabien, eben überall da, wo der patriarchale Clan die Basis der symbolischen Ordnung bildet. Und aus diesem Blickwinkel bieten „Buddenbrooks“ – wie auch „Effi Briest“ – unter Garantie voll krassen Debattenstoff für Schulklassen der Gegenwart.

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