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Runnicles

© dpa

Donald Runnicles: „Ich will mich freuen. Und ich freue mich“

Donald Runnicles, der designierte Generalmusikdirektor der Deutschen Oper, über Berliner Gefühle und böse Wörter.

Ein strahlender Frühsommertag in Kopenhagen. Im Tivoli-Vergnügungspark kreischen die Menschen in der Achterbahn mit den Möwen um die Wette. Donald Runnicles hat eine fünfstündige Wagner-Probe mit dem Tivoli Symphony Orchestra hinter sich (Ausschnitte aus „Siegfried“ und „Götterdämmerung“) und bestellt in der Hotel-Lobby Café und Wasser. Das Stückchen Schokolade zum Café lässt er unangetastet. Der schottische Dirigent überlegt gerne, bevor er spricht.

Mr Runnicles, Sie haben zur Deutschen Oper lange geschwiegen. Jetzt ist die Liste der Fragen an Sie ziemlich lang geworden.

Ich habe auch viele Fragen. Darf ich? Zum Beispiel: Warum ist die Berliner Presse mir gegenüber so misstrauisch? Kurz vor meiner ersten Pressekonferenz an der Bismarckstraße habe ich in Schottland das neue Programm des BBC Scottish Symphony Orchestra vorgestellt ...

. . . dessen Chef Sie ab der nächsten Saison auch sind . . .


... und alle freuen sich und sind stolz: die Musiker, das Publikum, die Journalisten. Dann komme ich nach Berlin und spüre nach der dortigen Pressekonferenz erstens, dass es nicht um Inhalte geht, und zweitens, dass man mir wenig zutraut. Obwohl man mich kaum kennt! Obwohl ich der Spielzeit 2009/10 meinen Stempel gar nicht richtig aufdrücken kann, einfach weil ich noch zu viele andere Verpflichtungen habe! Die Deutsche Oper hat sich für mich ja eher kurzfristig ergeben. Also: Was ist das? Woher rührt diese Negativität, dieses fast Masochistische?

Es hat damit zu tun, dass die Kulturpolitik seit zehn Jahren zuschaut, wie das größte Opernhaus Berlins langsam abgewirtschaftet wird. Man hat den Glauben an die Politik wie an die Kunst verloren. Und darüber ist man traurig, wütend und enttäuscht.


Meine Erfahrung sieht komplett anders aus. Als ich vor zwei Jahren an der Bismarckstraße den „Ring“ dirigiert habe, empfand ich etwas Außergewöhnliches. Das Potenzial dieses Hauses, der Geist, der dort herrscht, das finden Sie nicht überall. Und ich meine nicht nur das Orchester, ich spreche von den Leuten hinter und auf der Bühne, von den Repetitoren, von so vielen engagierten tollen Künstlern und Künstlerinnen. Kurz darauf kam das Angebot, Generalmusikdirektor zu werden, und ich hatte das starke Gefühl, die wollen was – und die wollen das mit mir. Ich habe mich gefreut! Ist es denn so schwer, diese Freude zu akzeptieren und anzunehmen?

Sagen wir so: Die Konstellation ist nicht gerade günstig. Die Politik möchte Kirsten Harms’ Vertrag über 2011 hinaus nicht verlängern, findet aber keinen wirklich geeigneten Nachfolger. Was tun Sie, wenn Frau Harms wider Erwarten noch zwei, drei Jahre bleibt?


Frau Harms und ich arbeiten momentan sehr gut zusammen. Sie ist sehr flexibel, wir reden oft und lang und sehr konstruktiv miteinander. Natürlich kann ich vor 2011 nicht so viel in Berlin sein, wie ich vielleicht möchte, aber man hat mir Freiräume eröffnet, die nächsten beiden Spielzeiten mitzugestalten. Wer letztlich Intendant oder Intendantin der Deutschen Oper sein wird, das entzieht sich meiner Kompetenz. Das bleibt eine politische Entscheidung.

Haben Sie in Ihren Gesprächen einen Eindruck davon gewonnen, was der Regierende Kultursenator Klaus Wowereit und sein Staatssekretär André Schmitz wollen?

Herrn Schmitz ist das Haus enorm wichtig. Man will der Deutschen Oper eine sichere und bedeutende Zukunft geben. Ich glaube übrigens, das F-Wort ist in diesem Zusammenhang äußerst wenig hilfreich.

„F“ wie Fusion?

Das hat eine böse Magie, am besten, man nimmt es gar nicht in den Mund. Und das sollte die Politik auch nicht tun.

Wie lange haben Sie überlegt, bevor Sie zur Deutschen Oper Ja gesagt haben?


Ziemlich lange, aber das hatte vor allem persönliche, lebenspraktische Gründe. Inhaltlich war die Sache für mich sofort nach den beiden „Ring“-Zyklen klar. Und der Zeitpunkt kommt mir durchaus gelegen. Ich war jetzt 17 Jahre in Amerika an der San Francisco Opera – da wandern die Gedanken schon mal zurück nach Europa. Und wissen Sie, wann ich zuletzt aus tiefsten Herzen überzeugt war, dass Berlin die Stadt ist, in der ich leben will, in der ich künstlerisch träumen will? Während Sasha Waltz’ „Einweihung“ im Neuen Museum. Da wandeln die Leute durch diese wunderbaren Chipperfield- Räume, erleben diese wunderbaren Tänzer, diese gequälten Seelen, um am Ende dem langsamen Satz aus Anton Bruckners Streichquintett zu lauschen – das hat mir die Tränen in die Augen getrieben.

An den Rändern, im quasi Improvisatorischen ist Berlin schon immer stark gewesen. Nur leider ist die Situation der drei Opernhäuser alles andere als im Aufbruch.


Wie man’s nimmt. Warum soll sich die Deutsche Oper nicht in einer ähnlichen Weise durchlässig machen und öffnen? Sasha Waltz wird jedenfalls an der Bismarckstraße arbeiten.

Haben Sie mit Christian Thielemann gesprochen, bevor Sie Ihren Vertrag unterschrieben haben?

Oh ja, wir kennen uns ja seit den frühen 80er Jahren aus Bayreuth. Er hat mir seine Sicht der Dinge geschildert, und das war sehr aufschlussreich.

Dass das Orchester der Deutschen Oper 2004 mit der Staatskapelle finanziell nicht gleichgestellt wurde, ist für Thielemann bis heute eine Amfortas-Wunde.


Ich würde ihn wahnsinnig gerne von dieser Wunde heilen … Im Ernst: Ich halte enorm viel von ihm und ich finde, er gehört unbedingt wieder an die Deutsche Oper. Wie ich mir überhaupt wünsche, dass an diesem Haus die tollsten Dirigenten, die tollsten Regisseure und die tollsten Sänger arbeiten. Es wäre außerdem schön, wenn Maestro Barenboim und Maestro Rattle bei uns musizieren würden. Weil die Bismarckstraße etwas Besonderes ist, weil man dort künstlerisch etwas Wichtiges erlebt, und weil wir relevant sein wollen.

Davon ist das Haus momentan allerdings weit entfernt.

Natürlich ist es eine Herausforderung! Ich bin, wie es so schön heißt, ziemlich gut vernetzt. Es ist nicht das Problem, tollen Kollegen Stücke und Rollen anzubieten – aber man muss sie auch bezahlen können. Und das ist die Frage an die Kulturpolitik: Welche Rolle soll die Deutsche Oper nicht nur in Berlin, sondern im internationalen Vergleich spielen?

Und, was sagt Herr Wowereit darauf?

Wir diskutieren das permanent, sobald es in unseren Gesprächen um das Jahr 2011 geht. Das hat ja fast eine philosophische Dimension: Die neue Deutsche Oper, was kann, darf und soll das sein?

Konnten Sie Bedingungen stellen?


Ich habe dargestellt, wie ich arbeite und arbeiten möchte. Daraufhin hat man mich engagiert. Mein ganzes Berufsleben basiert auf Vertrauen. Ich glaube den Menschen, mit denen ich arbeite. Daran wird auch Berlin nichts ändern, hoffe ich.

In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ haben Sie bemängelt, die Deutsche Oper sei unterfinanziert, gerade im Orchesteretat, und dieser Zustand müsse korrigiert werden. Was tun Sie, wenn das Land Berlin dafür die Mittel nicht hat?

Dann wüsste ich nicht, wie man mit gutem Gewissen behaupten kann, man wolle für die Deutsche Oper nur das Beste. Will ich das Beste, wenn ich zulasse, dass im Graben regelmäßig eine große Zahl von Aushilfen sitzt?

Das sind quasi Thielemanns Worte von vor fünf Jahren. Ist das politische Bewusstsein für die Situation heute ein anderes?

Ich habe die Hoffnung, dass in der Offenheit der Situation auch Möglichkeiten liegen, die uns am Ende die Deutsche Oper bescheren, die wir alle haben wollen. Der Ton, aus dem wir die Zukunft formen, ist noch warm.

Sie planen ab 2011 einen Berlioz- und einen Britten-Zyklus. Was tun Sie, wenn es finanziell trotz aller warmen Worte beim Status Quo bleibt?

Jetzt antworte ich politisch: Ich bin zuversichtlich, dass wir einen Weg finden werden. Wenn nicht, dann reden wir wieder. Mehr kann ich dazu im Augenblick nicht sagen, ich bin kein Hellseher. Ich will mich auf die Deutsche Oper freuen – und ich freue mich auf die Deutsche Oper.

Wem gehört eigentlich das Schwert auf André Rivals Foto?


Ich mag Foto-Sessions ja nicht besonders. Aber so ein Opernhaus ist groß, und da findet sich manches, was einem in unliebsamen Situationen hilfreich sein kann.


Das Gespräch führte Christine Lemke-Matwey.

Interview von Christine Lemke-Matwey

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