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Kommentar zur Sommerpause: Holzen und hacken

Die Künstler vertragen die Festspiel-Sommerzeit besonders schlecht: In Berlin herrscht Zombiekrieg zwischen Hochhuth und Peymann, in anderen Städten ist die Stimmung nicht besser. Landauf, landab wird geholzt und nachgetreten. Eine SOMMERTHEATERREISE.

Wird Zeit, dass die neue Saison beginnt. Schrecklich langweilige Vorbereitungsspiele der Bundesligisten, fiese Verletzungen im Training, immer höherere Ablösesummen, wie soll man da in Stimmung kommen! Bei den Künstlern ist es nicht besser. Sie vertragen die Festspiel-Sommerzeit besonders schlecht. Landauf, landab wird geholzt und nachgetreten, wie es in Thomas Bernhards selig Gesammelten Werken steht. Was für ein Rumpel-Fußball-Festival-Sommer des Missvergnügens!

In Berlin giften zwei alte und überaus verdiente Herren, Rolf Hochhuth und Claus Peymann, um die Wette, als wollten sie den endgültigen und reichlich überflüssigen Beweis erbringen, dass das politische Theater tot und das Berliner Ensemble zu einem Stellvertreter-Bundeskanzleramt für Bühnenzombies mutiert ist. Hochhuth will da rein, um eines seiner Lautsprecher-Stücke aufzuführen, es macht ja sonst keiner. Und Peymann lässt ihn partout nicht, wozu auch? Papierene Premieren hat er selbst genug, dafür braucht er Hochhuth nicht. Peymann sei die „Unehrlichkeit in Person“ und einfach ein schlechter Mensch, keult der Dramatiker, er würde den BE-Intendanten am liebsten vor die Tür setzen. Peymann sonnt sich derweil naturgemäß in Österreich und genießt die Pressschläge und Wutgrätschen. So ist er wieder mal Stadtgespräch, schließlich kommt nicht jeden Tag ein Ex-Terrorist frei, dem man ein Theaterpraktikum anbieten kann.

Alles Mist, alles retro in Salzburg? Flimm keilt zurück

In Salzburg freut sich Festspiel-Chef Jürgen Flimm auf Berlin. Nächstes Jahr kommt er an die Staatsoper. Zuvor aber muss er noch seine Salzburger Ära hochloben. Dabei hilft ihm der Regisseur Martin Kusej, einst selbst ein Salzburger, und heute einer der schärfsten Kritiker der Festspiel-Elche. Alles Mist, alles alter Käse, alles retro, was Flimm produziert, schimpft Kusej, und der Jürgen schreibt ihm daraufhin im „Spiegel“ einen gesalzenen Offenen Brief: „Lieber Martin, fünf Jahre bist du hier auf der Hofstallgasse herumgesprungen, hast aber nichts ausrichten können: Es blieb während deiner Zeit besonders alles so, wie es der Status quo war.“ Wir freuen uns auf Flimm. Er wird, lustvoll-zorniger alter Mann der Generation Peymann, endlich Leben in die öden Debatten um die Opernstiftung bringen.

Salzburg ist dieses Jahr überhaupt eine einzige Giftmischerei. Der Schriftsteller Daniel Kehlmann, dort der heurige „Dichter zu Gast“, hat am Samstag zur Festspieleröffnung in einer rotzigen Rede das „Regietheater“ in die Tonne getreten. Jede Schweinerei sei nicht nur erlaubt, sondern nachgerade Pflicht, wenn es darum gehe, das geschriebene dramatischeWort auf der Bühne zu verhunzen. Der Vater des Bestsellerautors, Michael Kehlmann, war Regisseur, freilich ein texttreuer. Dafür habe man ihn abgestraft und praktisch arbeitslos gemacht. Kehlmann junior beruft sich ausgerechnet auf Max Reinhardt, den Festspiel-Erfinder und Pionier des bösen Regietheaters. Eine kleine theaterhistorische Recherche hätte bei der Vermessung der Bühnenwelt nicht geschadet.

"Man bringt den Karajan noch mal um"

München will da nicht nachstehen. Der Stadtrat stellt Christian Thielemann den Stuhl vor die Tür. Der Chefdirigent der Münchner Philharmoniker soll sich künftig seinem Intendanten beugen, wenn es um Gastdirigenten geht. Und Thielemann macht das, was in Berlin die nicht ganz so berühmten Kollegen Metzmacher und Zagrosek getan haben: Er ist beleidigt. Und erinnert in der „FAS“ daran, dass er der neue Karajan ist: „Man bringt den Karajan noch mal um. Immer wieder, immer wieder! Dieses alte Argument, dass die Kapellmeister so selbstherrlich sind, dass sie eine Meinung haben von dem Stück, das sie machen. Das ist das Karajan-Syndrom. Aber man vergisst, dass der aus seinem Orchester etwas herausgeholt hat, das ganz speziell war.“

Wohl richtig. Thielemann sagt in dem Zeitungsgespräch auch noch den großen Satz, der für all die Peymann-Kusej-Kehlmann-Flimms und Spitzenkräfte generell gilt: „Nun, über meine Zukunft brauche ich mir Gott sei Dank keine Sorgen zu machen.“ Damit sollen wir uns abfinden: Für Auto-, Bank- und Bahnmanager ist immer Festspielzeit.

Rüdiger Schaper

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