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Shakespeare Company: "Ist es weil ich fremd bin und bleibe?“

Die Shakespeare Company Berlin inszeniert Othello im Heimathafen Neukölln.

Die Shakespeare Company Berlin hat es sich zum Ziel gesetzt, die Stücke des englischen Dramatikers möglichst volksnah auf die Bühne zu bringen. Soll heißen: leicht verständlich und ohne die eitlen Verfremdungen des Regietheaters. Komödiantisch und musikalisch möchte man sein und erarbeitet dazu eigene Übersetzungen streng entlang des Originals. Für den „Othello“ im Heimathafen Neukölln hat man nun den Nachwuchsregisseur Jens Neumann engagiert, der sich unter anderem mit Inszenierungen am Grips-Theater einen Namen gemacht hat. Sein Konzept ist die Reduzierung: Er hat das ausufernde Original auf eine zweieinhalbstündige Fassung zusammengestrichen und lässt lediglich drei Schauspieler auf einer fast leeren Bühne auftreten – in 12 Rollen. Die Darsteller bewältigen also eine ungeheuere Versmenge und geben außerdem noch kleine musikalische Einlagen. Sie  verschwinden hinter einem Vorhang und spielen auf einem selbstgebastelten, pentatonischen Röhreninstrument, dessen Klang an ein mattes Xylophon erinnert. Die Töne werden dann als Loops (und als Konzession an die Modernität Shakespeares) wieder eingespielt. Doch trotz Textlastigkeit und Instrumentenbedienung gelingt es den drei Darstellern ihren unterschiedlichen Figuren eigene Färbungen zu verpassen. Wobei besonders Christian Carrasco gekonnt changiert zwischen dem General Othello und dem Dummkopf Rodrigo. Stefan Plepp gibt einen kraftvollen, vielleicht allzu eindeutigen Bösewicht Jago und einen äußerst anständigen venezianischen Dogen. Christina Fraas bleibt als Othellos Frau Desdemona etwas blass, kann dafür als ihr kauzig-empörter Vater Brabantio und als naiver Hauptmann Cassio Spaß machen.

Zu Neumanns Konzept der Reduktion gehört der Verzicht auf einen albernen schwarz angemalten Othello. Was seinen "Mohren" von den anderen unterscheidet, ist einzig seine leuchtend rote Weste. Neumann interessiert an Shakespeares Drama offensichtlich die Rolle des Fremden. Alles läuft zunächst auf die Diffamierung Othellos durch Jago hinaus: „Denn lässt man solchen Tätern freie Hand, regiert der Fremde bald das Heimatland.“ Woraufhin sich Othello, von der zunehmenden Ablehnung der Venezier getroffen, fragt: „Vielleicht ist es, weil ich fremd bin und bleibe?“ Der Mohr, so arbeitet Neumann heraus, hat die ihm zugewiesene Rolle des Heerführers überschritten. Man mag ihn als General akzeptieren, aber nicht als Ehemann einer Einheimischen. Der Fremdling wird immer ein Fremdling bleiben, egal wie erfolgreich er ist. Eine Analyse, die man insbesondere auf Deutschland mit seinem rassistischen und anti-republikanischen Verständnis von Dazugehörigkeit beziehen mag.

Im zweiten Teil der Tragödie interessiert Neumann dann vor allem das Thema Eifersucht: wie sehr sie in Othello brennt und Besitz ergreift von seinem Denken und Fühlen. Das „grünäugige Monster“ wie es Shakespeare beschreibt, killt nicht nur die Ehe zwischen Othello und Desdemona, sondern macht Othello zum Killer. Bevor er sich selbst reichlich theatralisch das Messer in die Brust rammt, gelingt es Christian Carrasco das Wüten der Eifersucht – dieser "Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft" – fast schon physisch spürbar zu machen. Die Action findet bei diesem "Othello" innerhalb der Figuren statt. Wer Üppigkeit, große Gesten oder gar einen umgangssprachlichen Shakespeare von dieser Neuköllner Inszenierung erwartet, liegt aber falsch.

Erneut am 1. Juni, 20 Uhr. Heimathafen Neukölln, Saalbau Neukölln, Karl-Marx-Str. 141.

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