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SPIEL Sachen: Haltet den Dieb!

Christine Wahl über Eigentumsfragen und jugendliche Arbeitskollektive.

Von den 140 Mark, die der großkriminelle Herr Grundeis dem kleinen Emil Tischbein auf der Reise zu seiner Großmutter nach Berlin entwendet, könnte man sich heutzutage zwar deutlich weniger kaufen als vor 82 Jahren. Aber wendet man sich von diesem schnöden Materialismus einmal ab und betrachtet die Sache aus einer rein ideellen Perspektive, scheint sich Erich Kästners 1928 erschienene Detektivstory ungebrochener Beliebtheit zu erfreuen. Eine Handvoll pfiffiger Kids organisiert sich eigeninitiativ zu einem passionierten Arbeitskollektiv mit vorbildlich flachen Hierarchien und bringt einen seit langem gesuchten Betrüger zur Strecke: Klar, da lauern zeitgeistige Anknüpfungspunkte en masse! Prekäre finanzielle Verhältnisse auf der einen, selbstständiger jugendlicher Aufschwung durch Intelligenz (sprich: Bildung) auf der anderen Seite – und mittendrin ein krimineller Ressourcen-Umverteiler von unten nach oben: Kein Wunder, dass schon Frank Castorf der Meinung war, Kästners schlaue Emils, Gustavs und ihre Fahrrad fahrenden Cousinen passten perfekt in den Zeitgeist. Seine Kästner-Inszenierung von 2007 wurde dann zwar leider nicht seine beste, aber die Berliner Kinds, die damals auf der Volksbühne herumturnen durften, hatten auf jeden Fall ihren Spaß.

Nun zeigt das Berliner Puppentheater Schaubude (Greifswalder Straße 81-84), dass der Wirkungskreis der minderjährigen Hobby-Kommissare weit über den Berliner Nollendorf- bzw. Rosa-Luxemburg-Platz hinausreicht. Nämlich bis nach Uganda. Die Produktion Emil on a Trip, die ein Team ugandischer und deutscher Künstler in der Hauptstadt Kampala als munteres Crossover aus Tanz, Musik, Puppenspiel und Visual Arts auf die Bühne gebracht hat, gastiert heute und morgen, jeweils 20 Uhr, in Berlin.

Wer nach diesem Theaterbesuch merken sollte, dass man um den Materialismus doch nicht ganz herum-, weil mit 140 Mark (zirka 70 Euro) eben wirklich nicht weit kommt, kann gleich im Anschluss eine Art Aufbau-Theaterabend planen. In der Brotfabrik (Mi-So 10.-14.3., 19 Uhr) warten junge Hildesheimer Performer unter dem Motto Alles meins! mit einem „Happening über Eigentum“ auf, bei dem man sich vorstellen darf, sämtliche Reichtümer der Welt zu besitzen: Banken, Theater, das ganze Universum. Wohlan!

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