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Theatertreffen: Baumstark: Birgit Minichmayr als "Weibsteufel"

Birgit Minichmayr umschifft in "Weibsteufel" genau so traumwandlerisch jede küchenpsychologische Falle, wie sie über die ineinander verkeilten Baumstämme balanciert, die Martin Zehetgruber kreuz und quer über die Bühne gebaut hat.

Karl Schönherrs 1915 uraufgeführter „Weibsteufel“ liest sich heute wie eine Geschlechterrollenfarce, die möglichst kein Klischee auslassen will. Auch wenn es dem Tiroler Arzt und Schriftsteller damit ernst war: Das handlungstragende „Weib“ hat infolge unbefriedigten Kinderwunsches eine Art Fürsorgekomplex entwickelt und sich daher einen schwächelnden Gatten gegriffen. Der betreibt Schmuggelgeschäfte, um kompensatorisch das schönste Haus am Platz erwerben zu können. Zwecks Geschäftserfolgs stiftet er seine Frau an, zum Schein den dumpf-muskulösen Grenzjäger zu verführen. So widerfährt der Gattin nach anfänglichem Sträuben eine sexuelle, machtbewusstseinserweiternde Erweckung, welche nach anderthalb Stunden und einiger Männerbündelei darin kulminiert, dass sie den Grenzjäger zum Mord an ihrem Mann treibt und anschließend ins Gefängnis wandern lässt, um als lustige Jungwitwe allein das Haus zu beziehen.

Wenn in Martin Kusejs Theatertreffen-Gastspiel vom Wiener Akademietheater verhältnismäßig wenig von diesen Klischees übrig bleibt, liegt das in erster Linie an Birgit Minichmayr. Die Schauspielerin umschifft genau so traumwandlerisch jede küchenpsychologische Falle, wie sie über die ineinander verkeilten Baumstämme balanciert, die Martin Zehetgruber kreuz und quer über die Bühne gebaut hat. Minichmayr gelingt tatsächlich das Kunststück, die Schönherr-Sätze zu sprechen, ohne dabei die Reißbrettentwicklung vom Naivchen zur Furie nachzuvollziehen, von denen sie erzählen. Unterstützt von Werner Wölbern als Mann und Nicholas Ofczarek als Grenzjäger, die dankenswerterweise keine platten Attraktivitäts- und Kraftunterschiede erkennen lassen, macht die Schauspielerin aus diesem Drama eine Emanzipationsgeschichte, die so wenig mit Männerfantasien wie mit institutionalisiertem Feminismus zu tun hat. Dafür umso mehr mit (Spiel-)Intelligenz und einer Selbstironie, die niemals die Figur denunziert.

Birgit Minichmayr als „Weibsteufel“ ein Ereignis zu nennen, ist schon deshalb nicht übertrieben, weil sich – so lange man ihr zuschaut – tatsächlich die durchaus virulente und berechtigte Frage abmeldet, warum man dieses Stück heutzutage inszeniert. 

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