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Kultur: Buh, machen die Dichter

LITERATUR

Streit kann richtig Spaß machen. Wenn aber der Gegner abwesend ist, wird jeder Streit zum Schattenboxen. Der Schatten, gegen den im ndl-Literatursalon im Theater Ohne Namen verbale Schläge ausgeteilt wurden, war der Lyrik-Kritiker Michael Braun. In seinen Rezensionen zur Anthologie „Lyrik von Jetzt“ hatte er die dort präsentierte poetische Bestandsaufnahme als „ästhetisch taubes Ding“ abgetan. Das wiederum stachelte den Dichter Gerhard Falkner, der das Vorwort verfasst hatte, zu einer essayistischen Abrechnung an. Eigentlich gute Voraussetzungen für den Beginn einer Debatte um Maßstäbe der Literaturkritik – aus dem Hinterzimmer.

Leider wurde diese Chance nicht ergriffen. Persönlich eingefärbtes Platzhirsch-Verhalten verdrängte die interessanteren Themen: Was sind die Kriterien für neue Lyrik, welche Rolle spielen Gedichte heute, wie wichtig ist Netzwerkbildung über E-Mail? Nur solches Weiterdenken hätte der Anthologie „Lyrik von Jetzt“ als Material für Kulturkritik nutzen können. Stattdessen: Vorleserunde im sich verbrüdernden Dichterkreis und Sittenpflege unter anwesenden Autoren. Darf der Kritisierte kritisieren? Und: Darf der Kritiker den Kritisierten kennen? Fragen über Fragen, aber keine Antworten. Vielleicht bei einem anderen Mal, dann aber mit Michael Braun.

Nikola Richter

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