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Kultur: Bundesverfassungsgericht: Ein Fall für die Parteien

Erstmals einer auf dem grünen Ticket: der Gießener Verfassungsrechtler Brun-Otto Bryde wird Verfassungsrichter. An diesem Freitag wird ihn der zwölfköpfige Wahlmännerausschuss des Bundestags in dieses Amt wählen.

Erstmals einer auf dem grünen Ticket: der Gießener Verfassungsrechtler Brun-Otto Bryde wird Verfassungsrichter. An diesem Freitag wird ihn der zwölfköpfige Wahlmännerausschuss des Bundestags in dieses Amt wählen. Bryde wird im Ersten Senat nach der geltenden Geschäftsverteilung unter anderem für Fragen des Arbeitsrechts zuständig sein. Der Bundesrat wird am 21. Dezember einen neuen Verfassungsrichter in den Zweiten Senat schicken. Rudolf Mellinghoff ist Kandidat der Union und kennt Karlsruhe. Von 1987 bis 1991 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter von Paul Kirchhof. Bryde - der ungewöhnliche Name geht auf einen dänischen Großvater zurück - hat sich dem Verfassungsgericht in wissenschaftlichen Arbeiten gewidmet.

Die Berufung der beiden Richter wirft wieder einmal die Frage nach den Verfahren auf, in denen die höchsten deutschen Richter bestimmt werden. Das Bundesverfassungsgericht ist die Spitze der judikativen Gewalt und übt unzweifelhaft politische Macht aus. In Deutschland, heißt es, gibt es keine wichtige kontroverse Frage, die nicht irgendwann in Karlsruhe landet. Die "roten Roben" haben über Brandts Ostpolitik, das Abtreibungsrecht, Europa, militärische Auslandeinsätze, Familie, Renten und das Kruzifix in Klassenzimmern geurteilt. Die starke Stellung des Gerichts, dem das Grundgesetz (GG) in Artikel 93 seine Aufgaben zuweist, steht in Kontrast zu den schwachen Bestimmungen von Artikel 94 GG, der festlegt: "Die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts werden je zur Hälfte vom Bundestage und vom Bundesrate gewählt."

Näheres regelt das Ausführungsgesetz. Danach wählt der Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit, der Bundestag hingegen bildet für diese Wahl ein eigenes Gremium, den Wahlmännerausschuss, der nach Verhältniswahlrecht bestimmt wird. Auch er entscheidet mit Zweidrittelmehrheit. Die obersten Richter, so der Hintersinn der Bestimmung, können nicht gegen den Willen einer der beiden großen Parteien bestimmt werden. Das ist einleuchtend, weil die Karlsruher Urteile breiter Akzeptanz bedürfen.

Aber die Richterposten werden damit auch zum Gegenstand von parteipolitischen Proporzübungen und gelegentlich heftigem Tauziehen hinter den Kulissen. Dabei sind es oft nicht einmal die zwölf Wahlmänner, die in aller Stille verhandeln, sondern nur zwei oder drei Unterhändler der Parteien, die Auge in Auge die Richter aushandeln. Das Vorschlagsrecht für neu zu besetzende Richterstellen wechselt zwischen den Parteien. In diesem Sinne kommt Bryde "auf dem grünen Ticket" nach Karlsruhe. Parteimitglied ist er nicht, die Grünen haben ihn vorgeschlagen. Dem Vernehmen nach ist sein Name bereits der dritte, den die Grünen genannt haben. Die beiden ersten Vorschläge sollen am Widerstand von Rupert Scholz (CDU) gescheitert sein.

Dass die Besetzung der Richterposten in regelrechte politische Machtkämpfe münden kann, hat sich 1993 gezeigt, als die Wahlmänner die Nachfolge von Verfassungsrichter Ernst-Gottfried Mahrenholz zu regeln hatten. Das Vorschlagsrecht lag bei der SPD, namentlich bei Herta Däubler-Gmelin, die den vormaligen Justizminister Jürgen Schmude vorschlug. Schmude wurde von den Wahlmännern akzeptiert, jedoch von der SPD wieder zurückgezogen, weil die SPD-Frauen lautstark nach einer Richterin riefen. Däubler-Gmelin brachte dann ihren eigenen Namen ins Gespräch. Das blockierte Unions-Fraktionschef Wolfgang Schäuble, der dem Ausschuss gar nicht angehörte. Denn Däubler-Gmelin war Mitglied im sozialdemokratischen Schattenkabinett. Gewählt wurde schließlich Jutta Limbach.

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