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Kultur: California Dreaming

Ein

von Christiane Peitz

Meine Güte, was für Männer. Den einen ereilt der Ruf der Nation, und er schert sich nicht drum. Jürgen Klinsmann will die Zukunft erstmal mit seiner Frau besprechen. Und der andere, Assistent Jogi Löw, sagt nach dem Finale seiner WM-Mission, er gehe jetzt ins Thermalbad. Weil er da schon vor zwei Jahren hinwollte, aber da kam dieser Anruf von Klinsmann dazwischen …

Guter Witz. Früher, lang ist’s her, galten Männer, die auf ihre Frauen hören und mal Pause machen statt immer nur Karriere, als Schlappschwänze, Weicheier oder Warmduscher. Heute ist das kein Ding: Heute sind sowieso die Frauen – wie der „Stern“ kürzlich titelte – die besseren Chefs. Wenn das stimmt (es gibt ja trotzdem noch nicht so viele), sind Männer wie Klinsmann die besseren Frauen. Ein Kommunikator: motiviert das Team, ermutigt die Jungen, wechselt die Außenseiter ein, fühlt sich ein in die Spieler und die Seele des Fußballvolks. Kurz: Er besitzt exakt jene soft skills, die gemeinhin als weibliche Führungsqualität gelten.

Schnee von gestern? Ist in Zeiten des neuen Manns solche Geschlechterdifferenz einfach passé? Schön wär’s. Denn es grummelt landauf, landab. Wenn Klinsmann am Ende Nein sagt und nicht weitermacht, wird es heißen: Der ist ja eiskalt, wie er da Millionen von Fans abblitzen lässt. Und die Klinsfrau Debbie ist schuld, diese Amerikanerin. Als ob wir nicht wüssten, wie sehr die Welt andere Helden braucht. Gestandene Manns(vor-)bilder zum Beispiel, die schuften – und andere Prioritäten setzen. Die öffentlich in Familie machen und auch die Liebe zur Pflichtsache erklären. Kein Zeichen der Schwäche, sondern eine Frage der Stärke.

Klinsmann, der Kalifornier. Immer noch, immer wieder, die Wohnsitzfrage. Ist dieser Schwabe überhaupt einer von uns? Das alte Lied. Deutschen, die (auch) im Ausland erfolgreich sind, haftet schnell der Ruch des Deserteurs, des Vaterlandsverrats an. Marlene Dietrich, Hildegard Knef, Romy Schneider mussten das schmerzhaft erleben. Filmemacher wie Wolfgang Petersen, Roland Emmerich oder Kameramann Michael Ballhaus werden bei jedem Deutschlandbesuch mit der Frage konfrontiert, wann sie denn endlich mal wieder in der Heimat, für die Heimat was tun. Mit dem Nationalstolz auf „unsere“ Jungs und Mädels in der großen weiten Welt ist es nicht weit her. Zu Gast bei Freunden? Umgekehrt wird ein Turnschuh draus.

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