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Kultur: Castro, fidel

Porträt eines Diktators: Stones „Comandante“

Der Regisseur freut sich wie ein kleines Kind. Kommt er sich neben dem großen Fidel doch auch ganz bedeutend vor. Aber weil er immer noch nicht glauben kann, dass er nun an dem Ort ist, vor dem man ihn so heftig gewarnt hat, schleppt er zur Sicherheit eine Filmcrew mit sich herum. Ja, Oliver Stone war wirklich da und hat mit dem Comandante persönlich über Kuba und die Welt geplaudert.

Gewöhnlich agiert Oliver Stone seine Verehrung für die großen Männer der Weltgeschichte in Filmplots aus. Von „JFK“ bis „Alexander“: lauter fiktive Begegnungen mit der Macht. „Comandante“ ist das reale Gegenstück: Konversation mit dem einzigen überlebenden großen Revolutionär des letzten Jahrhunderts. Drei Tage durfte Oliver Stone in Kuba mit Castro drehen, pro Tag etwas mehr als zehn Stunden Film. Für ein echtes Porträt ist das zu wenig, doch reicht das Material für eine Serie von Tisch- und Spaziergesprächen. Frage- und Antwortspiele, die der Jefe mit beeindruckend beiläufiger Jovialität führt, die keine Antwort schuldig bleibt und doch kaum Substanzielles verrät. Auch der angegreiste Castro ist immer noch ein begnadeter Rhetoriker und Charmeur. Und Stone lässt sich gerne charmieren. Die „schwierigen“ Fragen – von Folter bis Homosexualität – spart er zwar nicht aus, aber für deren Beantwortung scheint er sich nicht weiter zu interessieren.

Zwar stellen Stones Kameramänner abwegige Dinge an, die sich biedere TV-Studiofilmer nie trauen würden. Aber der Gesprächsstil entspricht in etwa der Art, wie im deutschen Fernsehen Reinhold Beckmann und Bundeskanzler Schröder miteinander reden. Das kritische Potential ist gering. Da wundert es kaum, dass der US-Sender HBO die Ausstrahlung des Films auf unbestimmte Zeit ausgesetzt hat. Enttäuschend ist aber vor allem, dass sich Stone auch der Person Fidel nur oberflächlich nähert. Ehrfurcht ist kein guter Ratgeber.

OmU: Balazs, Filmkunst 66, Rollberg

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