zum Hauptinhalt

Kultur: Cavallis später Triumph

Gelungenes Fest der Alten Musik - Die 5. „Venezianische Nacht“ in der Friedenskirche

Sein Auftritt in Versailles geriet zum Desaster. Und ausgerechnet ein Landsmann war es, der den venezianischen Opernkomponisten Francesco Cavalli zum Gespött der Franzosen machte. Zur Feier der Hochzeit von Luis XIV. mit Maria Theresia „de Austria“ im Jahr 1660 war Cavalli mit einer Opernkomposition beauftragt worden. Doch sein „Xerxes“ wurde zu einer Gemeinschaftsproduktion mit dem neuen Komponistenstar am französischen Hofe, Jean-Baptiste Lully alias Giovanni Battista Lulli aus Florenz. Lully schrieb Ballette, die als Intermezzi zwischen den Akten der Oper aufgeführt wurden. Und es waren diese selbstbewussten und temperamentvollen Ballette, die das Publikum begeisterten und Cavallis Tonkunst ins Hintertreffen geraten ließen. Der Italiener soll Paris als gebrochener Mann verlassen haben und hat danach nie wieder eine Oper geschrieben.

Im Rahmen der „Venezianischen Nacht“ war dieses verhängnisvolle, musikalische Aufeinandertreffen der beiden Giganten Cavalli und Lully am Freitag in der Friedenskirche zu erleben. Und wäre Cavalli bei diesem Konzert dabei gewesen, er hätte Potsdam mit erhobenem Haupt und voller Selbstbewusstsein verlassen können. Denn was das Ensemble „Die Kleine Cammer-Music“ um den Violinisten Wolfgang Hasleder zusammen mit der Sopranistin Heidi Maria Taubert, dem Bassisten David Stingl und den beiden Tänzern Andrea Miltnerová und Tomáš Kubín zu fortgeschrittener Stunde in der gut besuchten Friedenskirche boten, war der gleichwertige Triumph zweier so gegensätzlicher Komponisten wie Francesco Cavalli und Jean-Baptiste Lully.

Eingestimmt war der Besucher bei der mittlerweile 5. „Venezianischen Nacht“, diesem „Fest der Alten Musik in Kirche, Atrium und Kreuzgang mit Lesungen, Tanz und Kulinarik“, da schon durch zwei Konzertblöcke, die gemäß dem Motto des Abends „Von Venedig nach Versailles“ den musikalischen Verbindungen und Gegensätzen dieser beiden Metropolen vom 16. bis ins 18. Jahrhundert nachgingen.

Den Auftakt machte Giovanni Rovettas Festmesse zur Geburt des späteren Sonnenkönigs Ludwig XIV. im Jahr 1639. Und obwohl hier die Sopranistin Doerthe-Maria Sandmann in dem sechsköpfigen Sängerensemble eine der Hauptrolle übernommen hatte, war es Heidi-Maria Taubert, die einen immer wieder aufhorchen ließ. Umrahmt wurde die Messe mit Sonatensätzen von Riccio, Neri und Marini, die das kleine Ensemble um Hasleder, Organisator und künstlerische Leiter der „Venezianischen Nacht“, sehr differenziert, mit nuancierter Farbmalerei und feinster Abstimmung musizierte.

Im Atrium, eröffnet durch eine Lesung von Klaus Büstrin, der auch im weiteren Verlauf immer wieder mit ausgewählten und äußerst trefflichen Beispielen aus der Literatur humorvolle Einblicke in die damalige Zeit gab, dann „L’Amour saltinbanque“ aus André Campras Opernballett „Les Fêtes Vénitiennes“. „Die Kleine Cammer-Music“ hier wieder als Garant für eine ausdrucksvolle und akzentuierte Spielweise, waren es die Sänger Ulrich Loens (Tenor), Volker Paulsen (Bariton) und Axel Scheidig (Bass, aber mit deutlicher Tendenz zum Baritonfach), die nicht vollends überzeugten und deren französische Aussprache gelinde gesagt, oftmals haarsträubend war. Doerthe-Maria Sandmann mit ihrem sehr affektvollen Sopran und Mezzosopranistin Kristina Mäkimattila dagegen kleine Glanzpunkte in dieser kurzweiligen Inszenierung.

Doch unbestreitbarer Höhepunkt war dann „Xerxes – Cavalli versus Lully“. Die Cammer-Music, durch zahlreiche Gastmusiker zum kleinen Orchester angewachsen, suchte weniger das Trennende, sondern das Verbindende zwischen Cavalli und Lully. Und dann war es der so natürlich-ungezwungene, so strahlende Sopran von Heidi-Maria Taubert, ein stimmlich so raffiniertes Schauspiel, das Cavallis Größe nur manifestieren konnte. David Stingl mit einem wundervoll-tragischem Bass lieferte den entsprechenden Gegenpart und Andrea Miltnerová und Tomáš Kubín mit ihren Barocktänzen eine effektvolle, sehr anmutige und aristokratische Untermalung.

In den Vorjahren hatte es immer wieder Kritik an den oftmals zu langen Konzertblöcken, den damit verbundenen Verspätungen und der ständigen Unruhe im Publikum gegeben. In diesem Jahr hat die „Venezianische Nacht“ sich mit der Musik, den Lesungen und dem Tanz auf Wesentliches beschränkt und auch die Konzertblöcke etwas eingekürzt. Ein äußerst stimmiges Konzept, mit dem Wolfgang Hasleder überzeugte und begeisterte. Am Ende wäre mancher vielleicht gar nicht abgeneigt gewesen, hätte es noch einen weiteren Programmpunkt gegeben. Ein schöneres Lob kann man der „Venezianischen Nacht“ wohl kaum machen.

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false