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Atemlose Stille. Christian Thielemann.

© Arno Burgi/dpa

Christian Thielemann dirigiert Brahms: Ohnmacht und Trost

Christian Thielemann dirigiert in der Berliner Philharmonie das "Deutsche Requiem" von Johannes Brahms.

„Ohren auf!“, hatte Christian Thielemann am Tag der Aufführung von Brahms’ „Deutschem Requiem“ gefordert – allerdings mit Bezug auf „das Phänomen Pegida“. Ein „Gefühl der Ohnmacht“, mit dem gleichwohl „kein Staat zu machen“ sei, bringe die Bewegung zum Ausdruck, befindet der Dirigent in einem Beitrag für die aktuelle „Zeit“ – weil es „für bestimmte Dinge nur die Wahl zwischen Parolen und politischer Korrektheit“ gebe. Ob man diese Analyse nun teilt oder nicht – als Musiker trifft Thielemann in der Philharmonie auf offene Ohren. Lässig, aber aufmerksam, ganz so, als warte er noch auf etwas, lehnt er sich an das Geländer seines Pultes – und erzeugt allein damit eine atemlos gespannte Stille im Saal. Er wird diese Intensität bis nach dem letzten Ton durchhalten. Doch taugt sein Zusammenwirken mit den Berliner Philharmonikern und dem Rundfunkchor Berlin „als perfektes gesellschaftliches Gleichnis“, als das er musikalische Kommunikation im Idealfall versteht? Wenn man an Brahms’ Ausspruch denkt, er wolle das „Deutsch“ in dem Werk am liebsten durch „Mensch“ ersetzen, mag man daran zweifeln. Eine zwiespältige Eigenschaft aber bringt die Aufführung packend zum Ausdruck: die Sehnsucht nach Stärke angesichts der Zumutung des Todes – der schließlich einen Zustand absoluter Ohnmacht darstellt. Die motettische Motivvielfalt stringent in große Bögen zwingend, lässt Thielemann seine mächtigen Steigerungen in die Schlüsselworte münden, die den Himmel als Ort der Unverletzlichkeit schildern: Wie eine Mauer stehen der Schlusston des „und keine Qual rühret sie an“ und der physisch überwältigende „Kraft“-Akkord, der das Werk noch vor dem hier als Epilog aufgefassten Schlusschor abschließt. Berühren kann das, weil es auch einige emotionale Kontrapunkte gibt. Die wichtigsten setzt der Bariton Christian Gerhaher, der jedes Wort auf seine Glaubwürdigkeit prüft und die Bitterkeit des Sterbenmüssens schon mit dem zusammengepressten Anfangskonsonanten von „muss“ artikuliert. Einen weiteren Kontrapunkt aber setzt Thielemann selber, indem er die Worte „wie einen seine Mutter tröstet“ fast flüstern lässt. Als wäre es eine Schwäche, auch diesen Trost annehmen zu können.

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