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Send in the Clowns. Cindy Shermans „Untitled #410“

© Cindy Sherman

Cindy Sherman in Stuttgart: Haute Couture ohne Glamour

Cindy Sherman hat immer auch für die Modebranche gearbeitet. Die Staatsgalerie Stuttgart zeigt in „Anti-Fashion“ nun Zusammenhänge zu ihrem genuin künstlerischen Werk auf.

Schick, dieses Kleid mit den rot-weißen Blockstreifen. Aber wo ist der Glamour, die schöne Vision, zu einem anderen Menschen zu werden? Werbewirksam im klassischen Sinne ist Cindy Sherman sicher nicht. Sie trägt Mode von Comme Des Garçons und schaut darin aus wie ein abgefucktes Partygirl. Und als Lady in Balenciaga-Schick ist sie attraktiv, aber sichtbar nicht mehr die Jüngste. Verführt man so die Kundschaft?

Die Staatsgalerie Stuttgart hat sich einen spannenden Aspekt aus dem riesigen Bilderkosmos der US-Fotografien Cindy Sherman herausgepickt. Sie ist für ihre inszenierten Selbstbildnisse schon in zahllose Rollen geschlüpft, hat sich als Diva und Clown, Model und heilige Jungfrau präsentiert und dabei Klischees und Stereotype ausgeleuchtet.

In „Anti-Fashion“ ist nun zu sehen, wie eng ihre Fotografie mit Aufträgen für Mode-Labels zusammenhängt. Denn Cindy Sherman, 1954 in New Jersey geboren, kommt der Branche mittlerweile wie gerufen. Als sie 1984 engagiert wurde, um in der Pariser „Vogue“ Mode auf ihre Weise zu präsentieren, scheiterte die junge Fotografin noch auf der ganzen Linie. Die Arbeiten, in denen sie sich zum Teil bizarr in Szene setzt mit blutigen Fingerkuppen und billiger Perücke, wurden von den Auftraggebern harsch zurückgewiesen. Doch schon bald geriet der Modezirkus selbst unter Druck und machte Schlagzeilen mit drogen- und magersüchtigen Models.

Da kam Cindy Sherman gerade recht: Sie stellte sich bleich, mager oder mit Augenringen dar, nutzte Teile von Schaufensterpuppen – die Fotos wirkten wie das Schuldeingeständnis einer Modewelt, die ihr angekratztes Image aufpolieren will. Die Ausstellung zeigt, dass Sherman viele dieser Ideen später in ihren künstlerischen Serien verarbeitet. Die Clowns etwa, die eine wichtige Rolle in ihrem Werk spielen, finden sich bereits 2003 in der englischen „Vogue“, wo sie bunt bemalt in edlen Stücken von John Galliano posiert.

Im Künstlerischen greift sie gerne zu großen Formaten. So hängen die ursprünglichen Mode-Motive in der Stuttgarter Ausstellung museal an farbigen Wänden. Vieles ist irritierend, manches verstörend. Als Sherman 1993 für „Harper’s Bazaar“ eine Fotostrecke entwickelte, wurde ihr Designermode in den typischen Modelgrößen zur Verfügung gestellt. Das machte sie zum Konzept und trug bewusst die zu enge oder zu lange Kleidung, um auf das absurde Frauenbild in der Werbung aufmerksam zu machen. Sie schnallte sich sogar einen künstlichen Babybauch um, so dass sich die Bluse nicht mehr schließen ließ.

Die Kuratorin Alessandra Nappo hat viele interessante Zusammenhänge herausgearbeitet, allerdings wird strikt getrennt zwischen Kunst hier und Magazinen dort, die in ein Kabinett verbannt wurden. Auch im Katalog verraten nur die Texte, wie viel auf Modestrecken zurückgeht, bei den Fotografien selbst wird aber nicht auf „Vogue“ oder „Harper’s Bazaar“ verwiesen, als sei das irgendwie ehrenrührig.

Nicht alle Motive, die Cindy Sherman in den Kunstkontext transferiert hat, halten dem großen Format stand. Die Serie zu Chanel-Kleidern, mit denen sie sich 2010 in virtuelle Landschaften hineinmontierte, kann nicht annähernd mithalten mit ihren früheren gesellschaftskritischen Inszenierungen. Manche Werbestrecke jüngerer Zeit ist auch alles andere als Anti-Mode. Wenn Sherman sich mit exzentrischen Brillen und Partylook zeigt, ist das nicht subversiv, sondern Mainstream.

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