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CITY Lights: Gute Deutsche, böse Deutsche

Es gibt Debütfilme, die gar keine sind. Sie werden für Debütfilme gehalten, weil sie einen bis dahin unbekannten Regisseur in die A-Liga katapultiert haben.

Es gibt Debütfilme, die gar keine sind. Sie werden für Debütfilme gehalten, weil sie einen bis dahin unbekannten Regisseur in die A-Liga katapultiert haben. Aber der Regisseur hat schon vorher ein paar – womöglich gar prächtige – Filme gedreht, die allerdings kaum wahrgenommen wurden.

Christian Petzold ist solch ein Fall. Seit dem RAF-Drama „Die innere Sicherheit“ (2000) gilt er als feste Größe, erregt jeder seiner Filme Aufsehen. Sein frühes Werk kennen nur wenige Eingeweihte. Versteckt hier jemand bewusst seine ersten Fingerübungen? Unsinn. Das Lichtblick widmet dem Regisseur eine Reihe, aus der hervorgeht, dass er sich seiner Anfänge nicht zu schämen braucht. Bereits 1995 erwies sich Petzold in seinem Debütfilm als Perfektionist: Seine Inszenierung ist unterkühlt und von formaler Strenge, und er zeigt schon dort Sinn für die Inszenierung unergründlicher Frauenfiguren. Seine Pilotinnen (Sonnabend, mit Gästen) steuern keine Flugzeuge; sie sind Vertreterinnen einer Kosmetikfirma. Die Firmenleitung versucht die jüngere gegen die ältere auszuspielen, aber die Frauen verstehen sich mit der Zeit immer besser. Die Beischlafdiebin (Dienstag) porträtiert ebenfalls zwei Frauen, eine von ihnen wird gespielt von der früh verstorbenen Constanze Engelbrecht. Seit Anfang an ist Petzold sein eigener Drehbuchautor, meist ohne literarische Vorlage, auch das erklärt die Geschlossenheit seines Werks.

Einer der großen Publikumslieblinge der Defa, Annekathrin Bürger, ist vor einer Woche 75 Jahre alt geworden. Die vom Babylon Mitte veranstaltete Filmreihe weist, anders als die Petzold-Pretiosen, naturgemäß keine Geschlossenheit auf, da die Schauspielerin seit 1955 mit den unterschiedlichsten Regisseuren zusammengearbeitet hat. Auch hat sie sich trotz ihrer Popularität nie als Star aufgeführt oder gar versucht, ihre Filme zu dominieren. An Slatan Dudows Komödie Verwirrung der Liebe (heute, Sonntag, Mittwoch) fasziniert ein freizügiges, mitunter gar kostümloses Kostümfest, das Kunststudenten veranstalten. Herrlich anachronistisch wirkt die im Jahr des Mauerbaus fertiggestellte sowjetisch-ostdeutsche Großproduktion Fünf Tage – fünf Nächte (heute, Mittwoch) von Lew Arnschtam, in der Soldaten der Roten Armee den Deutschen helfen, wertvolle Gemälde aus den Trümmern von Dresden zu bergen. Bei dem Vorhaben wurde an nichts gespart, und für die Musik wurde Dimitri Schostakowitsch verpflichtet. Ungewöhnlich delikat ist eine Sequenz geraten, in der der Protagonist sich an seine ins KZ verschleppte Freundin erinnert: eine Rückblende nur aus Zeichnungen. Die Freundin, die dann wieder in Fleisch und Blut auftaucht, wird von Annekathrin Bürger gespielt.

Vergangenheitsbewältigung zeichnet sich in der Regel nicht durch Humor aus. Einer, der diesen Balanceakt dennoch wiederholt versucht hat, war Wolfgang Staudte. Herrenpartie (heute im Zeughauskino) erwies sich 1964 als Reinfall an den Kinokassen. Niemand wollte über eine Gruppe deutscher Jugoslawien-Touristen lachen, die in einem Dorf voller Witwen und vaterloser Töchter landen und dabei Erinnerungen an den Krieg wachrufen und bedenkenlos historische Wunden aufreißen. Die Männer sind der Inbegriff des hässlichen Deutschen. Für den einzigen Lichtblick, äußerlich wie charakterlich, sorgt der junge Götz George.

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