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CITY Lights: Kunstblut spritzt aufs Objektiv

Als Held einer biografisch angelehnten Filmfiktion ist Alfred Hitchcock zurzeit im Kino lebendig. Hitchcock führt in die zentrale Phase seines Schaffens, als Meister Alfred mit großer Kraftanstrengung – und tatkräftiger Unterstützung von Ehefrau und Mitarbeiterin Alma – darum kämpfte, seine ganz eigene Ästhetik von Schock und Suspense gegen das Hollywood-Regulatorium durchzusetzen.

Als Held einer biografisch angelehnten Filmfiktion ist Alfred Hitchcock zurzeit im Kino lebendig. Hitchcock führt in die zentrale Phase seines Schaffens, als Meister Alfred mit großer Kraftanstrengung – und tatkräftiger Unterstützung von Ehefrau und Mitarbeiterin Alma – darum kämpfte, seine ganz eigene Ästhetik von Schock und Suspense gegen das Hollywood-Regulatorium durchzusetzen. Am Ende gewann der Regisseur auf ganzer Linie – „Psycho“ wurde zur profitabelsten Produktion seiner Laufbahn. Eine weniger erfolgreiche, kritische Wendephase in Hitchs Werk illustrieren drei Filme, die in die frühen Hollywood-Jahre des Meisters zurückgehen und diese Woche im Lichtblick-Kino gezeigt werden. Mit dabei auch eine Arbeit, die kurz nach dem amerikanischen Kriegseintritt verblüffend altertümelnde Pastiches aus dem Merry-Old-England der RKO-Studios auf die Leinwand brachte und von der Kritik oft wegen des von der Produktionsgesellschaft erzwungenen Happy-Ends getadelt wurde. Dabei passt die eigentlich unglaubliche Auflösung von Suspicion (am Sonnabend und Mittwoch) doch perfekt zu den fast schon parodistisch übertriebenen Klischeebildern, in denen sich vorher die Verwandlung einer romantischen Ehefantasie in einen Albtraum entspann. Interessanterweise ist es dabei erst eine heimlich mitgehörte Bemerkung der Eltern über die „Altjüngferlichkeit“ und Unattraktivität der Tochter, die diese in die Arme des charmanten Windhunds Aysgarth treibt. Denn Lina steckt zwar im anmutigen Körper von Joan Fontaine, liest aber unpassenderweise statt bunter Heftchen Bücher über Kinderpsychologie.

Der frühen Vergreisung des weiblichen Geschlechts im Filmschaffen entspricht der ewige Jungbrunnen manch männlicher Gestalten vor oder hinter der Kamera, die – wie Aysgarth in Hitchcocks Film – auch im Familienvateralter der Buddelkiste kaum entwachsen scheinen. Einer der derzeit markantesten aus dieser Meute ist Quentin Tarantino, den auch nach Jahren professionell gereiften Filmschaffens immer noch der Ruf des jungen Wilden umweht: So mag es erst einmal verwundern, wenn in diesem holden Frühling nicht nur die Mainzelmännchen ihren 50. Geburtstag feiern, sondern auch der Mann, den mit Hitchcock zumindest die Liebe zu coolen Blondinen und Schundheften verbindet. Gefeiert wird Tarantino mit einem Großtusch der UCI-Kette, die am Montag im Abendprogramm sämtlicher ihrer Kinos Tarantinos Pulp Fiction (auf Deutsch) zeigt.

Noch um einiges blutrünstiger geriert sich diese Woche die Ausgabe der Erwachsenen-Erschreck-Serie Adult Horror im Eiszeit, die ja an dieser Stelle schon vorgestellt wurde. Wie Hitch hat es auch Regisseur Daniel Stamm von Europa (aus Hamburg) nach Hollywood geschafft und vor drei Jahren dort einen Lowbudget-Überraschungserfolg hingelegt. The Last Exorcism (am Freitag) ist ein Fake-Documentary á la „Blair Witch Project“, der das populäre Motiv professioneller Dämonenaustreibung geschickt mit den Themen familiärer Missbrauch und Fundamentalismus amalgiert: im Zentrum eine frömmelnde 16-jährige Farmerstochter und eine subjektive Kamera, die beim Herumirren auch mal tüchtig Kunstbluttropfen aufs Objektiv bekommt. Die politische Stoßrichtung des Stücks ist sympathisch. Aber ob das nun wirklich erwachsener ist als Tarantino?

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