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CITY Lights: Schlimme neue Welt

Wer glaubt, die gemeine Dosenravioli wäre längst ausgestorben, muss sich spätestens im Kino eines Besseren belehren lassen. Katja Gauriloffs Dokumentarfilm Canned Dreams (Montag im Tschechischen Zentrum) schildert die Lebensträume und -traumata von sieben an der Ravioliherstellung beteiligten Arbeitern aus Europa und Brasilien – und ist, weitere Überraschung, keineswegs die kritische Auseinandersetzung mit der Nahrungsindustrie, als die er oft verkauft wird.

Wer glaubt, die gemeine Dosenravioli wäre längst ausgestorben, muss sich spätestens im Kino eines Besseren belehren lassen. Katja Gauriloffs Dokumentarfilm Canned Dreams (Montag im Tschechischen Zentrum) schildert die Lebensträume und -traumata von sieben an der Ravioliherstellung beteiligten Arbeitern aus Europa und Brasilien – und ist, weitere Überraschung, keineswegs die kritische Auseinandersetzung mit der Nahrungsindustrie, als die er oft verkauft wird. Sondern eher ein Werbefilm. Denn anders als in der Dose im Supermarkt werden hier nur sechs Zutaten aus Dänemark (Schwein), Polen (Rind), Portugal (Tomaten), Frankreich (Eier), Italien (Olivenöl!) und der Ukraine (Weizen) zusammengekarrt – ganz ohne Geschmacksverstärker und andere Scheußlichkeiten. Mit einigen schwer erträglichen Tier-Leidensszenen mag „Canned Dreams“ manche Zuschauer zum Vegetarismus bekehren, die Industrie-Ravioli als solche kommen dagegen erstaunlich gut weg. Besonders beeindruckt in dem Film ein rumänischer Schlachthofarbeiter, der jeden Abend betet, Gott möge ihm das Töten so vieler Tiere verzeihen. Doch er muss mit seiner Arbeit eine Familie ernähren.

Auch in Wolfgang Staudtes Rotation ist es die Sorge um den Lebensunterhalt, die einen Arbeiter zur Anbiederung ans Hitlerregime treibt. Der Defa-Film von 1949 (Montag in der Brotfabrik) zeigt auch, wie ein Junge aus der Generation Grass zum Hitler-Enthusiasten und dann zum Denunzianten des Vaters wird. Im Unterschied zum übersteuerten Musikeinsatz in „Canned Dreams“ gibt es hier nur einige herrlich karg intonierte Lieder aus der „Dreigroschenoper“ – dazu nachgestellte und dokumentarische Endkriegsszenen aus dem verwüsteten Berlin und eine dramatische Episode um die legendäre Sprengung des Nord-Süd-Tunnels. „Rotation“ endet defa-gerecht mit einer Versöhnung und dem Appell, „denen, die nach uns kommen, eine schönere Welt zu hinterlassen, in der es keine Gefahr mehr gibt und keine Not“.

Dass dies nicht wahr geworden ist, zeigt nicht nur ein Blick auf Kriegsverbrechen und Armut weltweit, sondern auch auf den Konkurrenzdruck in den reichen Ländern – etwa verkörpert vom Berufsstand der Fußballtrainer, deren Existenz knallhart von kurzfristigen Spielergebnissen abhängt. Aljoscha Pauses Dokumentation Trainer! (Dienstag im Babylon in Anwesenheit des Regisseurs und der Trainer Frank und Stephan Schmidt) erzählt genau davon und lässt neben Kloppo und Trainer-Ausbilder Frank Wormuth drei Hoffnungsträger aus niederen Fussball-Klassen ausführlich zu Wort kommen. Formal siedelt die Doku leider in der TV-Liga, dafür arbeitet Pause den Druck und die Konflikte scharf heraus und glättet nichts.

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