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CITY Lights: Tanz den Bertolucci

Eigentlich unhaltbar, diese hartnäckige These: Unterdrückte Sexualität führt zum Faschismus. In den 1930er Jahren hat Wilhelm Reich entsprechende Vermutungen geäußert, und sie lagen auch nahe.

Eigentlich unhaltbar, diese hartnäckige These: Unterdrückte Sexualität führt zum Faschismus. In den 1930er Jahren hat Wilhelm Reich entsprechende Vermutungen geäußert, und sie lagen auch nahe. Inzwischen aber weiß man: Ranghohe Nazis konnten liebevolle Ehemänner und Väter sein, und einige hatten sogar Affären. Umgekehrt gab es auch keusche, verklemmte Nazigegner. Eine ausgelebte oder auch nicht ausgelebte Sexualität ist nicht mehr als ein stets interessantes biografisches Detail.

Bernardo Bertoluccis Der große Irrtum (1970) benutzt dieses historische Deutungsmuster. Der von Jean-Louis Trintignant verkörperte Protagonist wird als Kind von einem Pädophilen belästigt, den er in Notwehr tötet. Er verarbeitet das Trauma durch Überanpassung, tritt in die faschistische Partei Italiens ein und beteiligt sich an der Ermordung eines Professors. Eiskalt lockt er den Mann, den er eigentlich verehrt, in die tödliche Falle (Dienstag im fsk). Trotz der etwas kruden Faschismusthese, die den Plot prägt, ist Bertolucci ein Meisterwerk gelungen, das keineswegs agitiert. Seinen Kultstatus verdankt der Film einer Tangoszene mit der blonden Dominique Sanda, die die lesbische Frau des Professors spielt, und der brünetten Stefania Sandrelli.

Der chilenische Künstler Alfredo Jaar hat „Il conformista“ (so hieß der Bertolucci-Titel im Original) für eine Filmreihe ausgewählt, die eine ihm gewidmete Ausstellung der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst ergänzt. Jaar zeigt darin auch The Ashes of Pasolini: Auch sein 38-minütiger Kurzfilm handelt davon, wie ein engagierter Linker in eine tödliche Falle gelockt wird (Sonntag im fsk). Der Mord an Pier Paolo Pasolini ist nach 37 Jahren noch immer nicht restlos aufgeklärt; es bestehen Zweifel daran, dass der als Täter verurteile Stricher Giuseppe Pelosi allein gehandelt hat.

Wie pflichtbewusste Menschen jegliche Kontrolle verlieren, weil der Trieb stärker ist als die Vernunft, davon handeln zwei Stummfilmklassiker, die als Open Air-Veranstaltung zu erleben sind – mit Live-Musik mitten auf dem Schinkelplatz. In Joe Mays Asphalt verliebt sich ein Polizist in eine Juwelendiebin (Freitag). Und in Fritz Langs Spione (Sonnabend) ist es eine Frau, die wegen eines Mannes ihre Pflichten als Geheimagentin vergisst. Sie hat – nicht immer üblich in Fritz-Lang-Filmen – Glück. Der Spion, auf den sie hereinfällt, ist ein anständiger Kerl, der sie auf die richtige Seite holt.

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