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Berliner Label: City Slang feiert Geburtstag

Indietypen, Hippies, Postrocker: Das Berliner Label City Slang feiert im Admiralspalast 20. Geburtstag - mit drei Konzertabenden.

Es gehört zu den Merkmalen von großen Geburtstagsfeiern, dass nie alles so klappt wie geplant. So auch beim 20. Geburtstag des Berliner Labels City Slang, der am Wochenende im Admiralspalast mit drei Konzertabenden begangen wurde. Am Freitag gibt es manches enttäuscht lange Gesicht, als vor dem Eingang Mitarbeiter des Labels darüber informieren, dass der Auftritt von The Notwist aus Krankheitsgründen ausfallen muss (und im Januar nachgeholt wird). Dafür spielen Get Well Soon und Calexico länger – ohne die Lücke wirklich schließen zu können.

So ist die Freude umso größer, als einen Tag später alle angekündigten Bands kommen und sich ein anderes Merkmal von Geburtstagsfeiern im vollen Effekt zeigt. Es können noch so viele Freunde – in diesem Fall Fans – kommen: Vor allem sind Feiern wie diese Familienfeste. Da sieht man an diesem Abend Lambchop-Mastermind Kurt Wagner im trauten Zwiegespräch mit dem Tortoise-Gitarristen und -Bassisten Doug McCombs herumstehen, da sind die erst am Sonntag mit ihrer Band Yo La Tengo spielenden Ira Kaplan und James McNew schon da, da läuft der Berliner Multiinstrumentalist Schneider TM durch die traurig-verwaist wirkenden Gänge des Hauses, das nach einem kürzlich gestellten Insolvenzantrag um seine Existenz kämpft.

Der familiäre Aspekt dieses Geburtstages wird dadurch betont, dass es an den drei Tagen keinen herausragenden Star gibt, um den sich alles dreht. City Slang veröffentlicht seit seiner Gründung Musik, die nicht vorherrschenden Mainstream-Rockstandards entspricht, die gemeinhin schwieriger ist, widerständiger, die Zeit braucht: Indierock, Qualitätsrock. Hier sind alle durch die Bank Stars, auch die obskure Krach-Abstrakt-Combo aus der Provinz; das Kollektiv dominiert hier den Pop, so wie auch die in Europa bei City Slang unter Vertrag stehenden kanadischen Bands Broken Social Scene und Arcade Fire den Kollektivgedanken tief in ihrer Musik verwurzelt haben.

Bis zu zehn Leute stehen bei Broken Social Scene auf der Bühne, moderiert von einem der hauptamtlichen Sänger und Songschreiber der Band, Kevin Drew. Aber auch von dem struppigen Brendan Canning oder der hinreißenden, von Zeit zu Zeit auf der Bühne auftauchenden blonden Sängerin Lisa Lobsinger, die das Hippeske der Kanadier mit ihrem schwarzen Schlabberkleidchen und dem Verzicht auf Schuhwerk bestes darstellt. Verschlungen und episch ist der Rock dieser Band, unterstützt vom gelegentlichen Einsatz einiger (allerdings überflüssiger) Bläser. Und getragen von einer leichten Bitternis, einer leidenschaftlichen Wehmut, die sich in dem scheinbar ewig dauernden Stück „World Sick“, dem bohrenden „Chase Scene“ oder der Ballade „Sweetest Kill“ am stärksten Bahn bricht.

Broken Social Scene repräsentieren die Gegenwart von City Slang, so wie auch die aus Portland stammenden Menomena, die gleichfalls einen verschlungenen, dazu aber hochkomplexen Rock spielen, der live aber gar nicht so komplex rüberkommt, sondern in seinen Einzelteilen gut zu hören ist. Menomena zeigen sich an diesem Abend als eine Band, die man live viel besser versteht als auf Platte, was ja eine Kunst für sich ist.

Dass selbst die City-Slang-Vergangenheit was sehr Gegenwärtiges haben kann, zeigt der fulminante Auftritt von den zwischenzeitlich zu einem anderen Label abgewanderten Tortoise, von John McEntire und Co – von eben jenem John McEntire, der dem jüngsten Broken-Social-Scene-Album den letzten Produktionsfeinschliff gegeben hat, von wegen Familie. Anders als bei Calexico, deren hübscher Tex-Mex-Sound eine begrenzte Halbwertszeit zu haben scheint, ist der zwischen Jazz, Elektronik, Easy Listening und Dub angesiedelte Postrock von Tortoise zeitlos. Die Melodien, die Rhythmusfiguren, selbst frühere Tortoise-Stücke aus den mittleren Neunzigern klingen noch immer jung und neu. Beeindruckend ist es, wie die Tortoise-Musiker sich vor allem an den zwei Xylophonen und den zwei Schlagzeugen abwechseln und stets energetische Spannungsfelder herstellen; nur der stoische Doug McCombs scheint mit seinen harten Gitarrenanschlägen wie ein Fels in der Klangbrandung zu stehen. Beim Schlussstück hat man den Eindruck, als fehle jetzt doch einmal der Gesang, als müsste gleich die Stimme von U2s Bono zumindest aus dem Off kommen, um den Song zu komplettieren – was natürlich nicht im Sinne der Erfinder ist. Zumal Typen wie Bono auf einem City-Slang-Geburtstag rein gar nichts zu suchen haben.

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