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Kultur: Claus Peymann: "Ich war selbst dabei"

Fahren vor dem Theater am Schiffbauerdamm lauter Luxuslimousinen vor? Sitzen im Zuschauerraum nur Zahnärzte aus Zehlendorf?

Fahren vor dem Theater am Schiffbauerdamm lauter Luxuslimousinen vor? Sitzen im Zuschauerraum nur Zahnärzte aus Zehlendorf? Es amüsiere ihn immer sehr, wenn andere Theatermacher - wie Johann Kresnik und Christoph Schlingensief - sich über das Berliner Ensemble ausließen, sagte Claus Peymann gestern bei der Bekanntgabe seiner nächsten Pläne. Er wünsche sich eine Zuschauerstatistik für alle Berliner Theater; sie würde transparent machen, dass das BE ansehnlich dastehe: Gut 200 000 Zuschauer wurden seit seinem Amtsantritt vom 8. Januar 2000 bis zum 8. März 2001 gezählt, davon 55 Prozent Vollzahler, 18 Prozent Schüler und Studenten, 12 Prozent Abonnenten. Bei voraussichtlichen Einnahmen von zirka 4,8 Millionen Mark bis Ende der Spielzeit schreibe das Theater "im Rahmen eines Subventionsbetriebs schwarze Zahlen" - eine nüchtern bürokratische Sprache, wie man sie aus dem Munde des Polemikers Peymann bisher kaum vernommen hat.

Obwohl er angekündigt hatte, "Rundumschläge" seien diesmal von ihm nicht zu erwarten, äußerte er sich dann doch, "als alt gewordener 68er", zur aktuellen Diskussion um die Vergangenheit eines Joschka Fischer; er sieht eine "Zeit der Restauration, ein neues Biedermeier" heraufziehen. Eine Generation von Hunderttausenden werde kriminalisiert: Fischer, Trittin, Peymann - "ich selbst war dabei". Es wäre schön, wenn sich seine Einschätzung der politischen Lage "in der Theaterarbeit auswirken könnte"; in welcher Weise, ließ er allerdings offen.

Drei Premieren kommen noch bis Saisonschluss heraus. Auf "Zigarren", einen "Abend mit Musik", gestaltet von Franz Wittenbrink mit Jürgen Holtz und Nina Hoss, folgt Peymanns eigene Inszenierung von Shakespeares "Maß für Maß" im Bühnenbild von Karl-Ernst Herrmann; neben Sylvie Rohrer (Isabella) spielen Michael Maertens, Ulrich Matthes, Hans-Michael Rehberg. Rehberg wird auch Papst Pius XII. darstellen in Rolf Hochhuths "Stellvertreter", den Philip Tiedemann für Anfang Juli vorbereitet (Hochhuth selbst, Eigentümer der BE-Immobilie, plant für die Sommerpause diesmal nichts). Ungewiss ist, ob Einar Schleef seine krankheitshalber verschobene Inszenierung von Elfriede Jelineks "Macht nichts" noch in dieser Spielzeit schafft - die Uraufführung findet nun jedenfalls im April in Zürich statt.

Peymanns Vorliebe für neue Stücke beweist sich dann wieder zu Saisonbeginn 2001/2002: "Die Unsichtbare" von Christoph Ransmayr, eine "Tirade an drei Stränden", wird nach der Salzburger Festspieluraufführung (24. Juli) im September nach Berlin übernommen. Im November folgt die Novität eines weiteren österreichischen Autors, Peter Turrinis "Ich liebe dieses Land" (nämlich Deutschland); der Koproduzent dieser Aufführung, das Stadtheater Klagenfurt, wird erst nächstes Jahr das Nachspiel haben.

Günther Grack

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