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Höher, schneller, lustiger. Matthias Matschke.

© Kai-Uwe Heinrich

Comedy: Matthias Matschke: Anbeten und Klarmachen

Schön böse:  Matthias Matschke, Stand-up-Comedian, bezirzt sein Publikum in der Bar jeder Vernunft. Die Sketche seines "Höher, Schneller, Steifer"-Programms basieren sämtlich auf Selbsterlebtem.

Matthias Matschke lässt den Blick durch die Reihen schweifen. „Cracknutten, Dealer, mein Therapeut, meine Eltern – furchtbares Gesindel.“ Und so was nennt sich dann Publikum. Aber gut, man kann sich seine Groupies nicht aussuchen, jedenfalls nicht als Stand-up-Comedian mit erstem Soloprogramm. Und immerhin, er hat es voll gekriegt, das „Olympiastadion von Wilmersdorf“, auch genannt Bar jeder Vernunft, jawoll, Siegerfaust! Nicht schlecht für einen Mann um die 40 mit Migrationshintergrund, Matschke stammt aus Mittelhessen, und heute ist der Abkömmling der Generation Wowereit nicht nur „bekannt aus Film, Funk und Fernsehen“, wie er im Running Gag der Hochfrequenzkategorie versichert, nein, jetzt bewährt er sich auch noch in der hohen Kunst dessen, was man zu Großmutters Zeiten Alleinunterhaltung nannte. „Schneller, Höher, Steifer“ heißt sein Programm, und es folgt den Basisgesetzen des Genres: Ein Mann, ein Mikro, ein beißender Witz, und für alle Fälle „Matschkes Late Night Wellness Band“ im Rücken. Mehr braucht es nicht.

Ein paar Tage später sitzt Matschke im Café K an der Sensburger Allee und bestellt doppelten Espresso. Er ist zufrieden mit sich, der Ernstfall ist geglückt, die nie kalkulierbare Größe namens Publikum hat sich bestens amüsiert. Nicht, dass der Mann keine Erfahrung mit LiveComedy hätte. An der Schaubühne, wo er im Ensemble ist, lädt er seit fünf Jahren zu „Matschkes Friday Late Night“, aber das ist ein eher abgesicherter Rahmen, mehr Insider-Atmosphäre. Die Bar jeder Vernunft bedeutet Terra incognita.

Er hat das Terrain mit stacheligem Jungs-Charme erobert. Hat sich eine Sabine aus den vorderen Reihen zum Scherzen herausgepickt, seinen leicht konsternierten Kollegen Kurt Krömer auf die Bühne genötigt. Alles munterste Spontaneität, nicht zu verwechseln mit Improvisation, in Matschkes Worten: „Ich bin das Gegenteil von Theatersport. Dann lieber nackt über den Ku’damm laufen.“

„Einen lang gezogenen Flirt“, so nennt er sein Solo-Parlando, und da stellt sich immer auch die Grenzerkundungsfrage: „Was kann die Angebetete, die Frau Publikum, vertragen?“ Okay, einmal tritt er der Bezirzten bei der Balz auf die Füße. Da kalauert er über peinlich offenherzige Intimgespräche mit Mutter und Vater, was in der Pointe mündet: „Man sollte seine Sexualität nicht mit den eigenen Eltern ausleben – es sei denn, man wohnt in Österreich.“ So ein typischer „Ups, darf man darüber lachen?“-Moment. Kein Problem für Matschke, nimmt er eben die Abzweigung zur nächsten Nummer.

Grundsätzlich, sagt er, kommt alles als Material infrage. Außer politisches Kabarett. „Da habe ich schon weggeschaltet, und ich habe sehr wenig weggeschaltet, als es noch drei Programme gab.“ Kritik mit Ansage, das interessiert ihn nicht, das hat auch nichts mit ihm zu tun.

Die Sketche seines „Höher, Schneller, Steifer“-Programms basieren dagegen sämtlich auf Selbsterlebtem, und wie er dem Gewöhnlichen das Groteske ablauscht, das ist beste Loriot-Schule. Dem Elternabend in der Kita zum Beispiel, auf dem die pädagogisch bewegte Birte ruft: „In der alten Kita von Tamino in Böblingen ist der Spracherwerb mit Tüchern gefördert worden!“ Den Spott über ein schaumiges Juste Milieu vom Prenzlauer Berg, den beherrscht Matschke besonders. Er ist mittlerweile überzeugter Westler, „diese Verschlafenheit und diesen Touch von Hannover finde ich ziemlich sexy.“ Als er mit 24 nach Berlin kam, landete er im Westen, in der Fünfzimmerwohnung einer verstorbenen Tänzerin, die sich im fortgeschrittenen Alter der Fußpflege verschrieben und ihre Toilette rosa gestrichen hatte. Von solchen Skurrilitäten erzählt er ganz entflammt, ebenso liebt er triste Kaufhauscafés, wo Rentnerinnen mit Hut Kuchen essen. Ein Faible, das er mit dem Regisseur Christoph Marthaler teilt, bei dem er an der Volksbühne und später in Zürich spielte, in diesen wundervollen, melancholisch aus der Zeit gefallenen Inszenierungen.

Auch Matschke hat komisches und ernstes Talent, so wie Buster Keaton, von dem er heftig schwärmen kann, das kriegt man in Deutschland immer nicht richtig zusammen. Er glänzt in einer Serie wie „Pastewka“, die einen Geschmack dessen ins hiesige Fernsehen trägt, was die Briten und Amerikaner uns an Humor voraus haben. Und daneben im sogenannten seriösen Fach. Über diese vermeintliche Grätsche ist schon so viel geschrieben worden, dass man sich kaum traut, ihn darauf anzusprechen, aber nein, Matschke ist von diesem Thema nicht mal mehr genervt. Sagt: „Theo Lingen war Brecht-Schauspieler.“ Erklärt geduldig: „Ich gehe morgens zum Schminken, wenn wir Pastewka drehen, wie ich abends zum Schminken ins Theater gehe.“ Das dürfe man sich nicht wie den Unterschied zwischen Nirvana und Robert Schumann vorstellen, höchstens wie zwischen Schumann und Bach.

Auf der Bühne der Bar jeder Vernunft verwitzelt er gut gelaunt die Schaubühnenkunst, das „Ficki-Titti-Pipi-Kacka“Theater, wo die alten Damen fragen, ob Hamlet im historischen Kostüm gegeben wird – „ja, sehr historisch, kennen Sie Adam von Adam und Eva?“ Was auf prätentiöse Regie, konservative Erwartung und die eigenen Ambitionen gleichzeitig zielt. Er hadert auch immer mal wieder mit seinem Beruf, aber was soll man machen, einen Puff zum Gewerbe anmelden? Im Moment jedenfalls ist Matschke im Schwung, die zweite Vorstellung steht an, und dann wird wieder geflirtet, mit der nächsten Frau Publikum.

Wieder am 14., 21. und 28.3., 20 Uhr

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