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Kultur: Cornelia Funkes Roman erzählt die Abenteuer zweier Geschwister in der schönsten Stadt der Welt

Als die Mutter überraschend stirbt, sollen Bo und Prosper voneinander getrennt werden. Esther, die Schwester der Mutter, ist sich mit ihrem Mann darin einig, nur den kleinen Bo bei sich aufnehmen zu wollen.

Als die Mutter überraschend stirbt, sollen Bo und Prosper voneinander getrennt werden. Esther, die Schwester der Mutter, ist sich mit ihrem Mann darin einig, nur den kleinen Bo bei sich aufnehmen zu wollen. Der 12-Jährige Prosper würde in einem Internat Platz finden. Doch die Brüder fliehen lieber gemeinsam nach Venedig, jener Stadt, von der ihre Mutter so oft begeistert erzählt hatte. Um dort unentdeckt überleben zu können, schließen sich die beiden einer Kinderbande an, die von Scipio angeführt wird. Darüber hinaus hat Prosper ein verlassenes Kino aufgetan, in dem sie dem nahenden Winter hätten trotzen können - wäre ihnen nicht ein von den Hartliebs beauftragter Detektiv auf die Spur gekommen.

Im Gegensatz zu ihrem märchenhafteren "Drachenreiter" vom letzten Jahr hat Cornelia Funke nun einen Kinderroman verfast, der durchaus mit Michael Endes "Momo" oder "Die unendliche Geschichte" konkurrieren kann. In "Herr der Diebe" entwickelt sie eine eigene Magie, Erwachsenen- und Kinderwelt, Überlebensrealität und Märchenwunschwelt miteinander zu versöhnen. Den eigentlichen Erzählteppich bildet Venedig mit seinen Kanälen, geheimnisvollen Gassen und uralten Gebäuden - die Begeisterung von Bo und Prosper für die Lagunenstadt ist sehr schnell nachzuvollziehen, und es wäre kein Wunder, wenn nach der Lektüre viele Kinder sie zum nächsten Urlaubstraumziel erklärten. Zwar werden die Erwachsenen leicht kenntlich in die kindgemäßen Klischees von "Feinde" und "Freunde" aufgeteilt, doch geschieht dies mit derart überraschenden Brechungen, dass ihre Antriebe deutlich werden und sie als handelnde Personen nicht flach wirken.

Klar, dass man die "Freunde" an ihrem mehr oder weniger heimlichen Hang zur Anarchie und ihrer Nähe zur eigenen Kindheit erkennt. Die Kinder sind allesamt liebenswert ausgestattete Charaktere, die natürlich auch über gut wiedererkennbare "Macken" verfügen. Und als das Geheimnis um den Herrn der Diebe eine dementsprechend prosaische Lösung gefunden hat, trumpft die Autorin noch mit einem Karussell auf, das mit einigen Umdrehungen Kinder zu Erwachsenen und Erwachsene wieder zu Kindern werden lässt. Als dieses Karussell am mit Spannung erwarteten Happy End auf Nimmerwiedersehen verschwindet, hat man seine Existenz dank Funkes meisterhaft entfalteten und wohldosierten Fabuliergeschicks längst bereitwillig geschluckt und trauert ihm (insbesondere als erwachsener Leser) nicht wenig hinterher. Ein hinreißendes Leseabenteuer, das mit seinen gut 400 Seiten selbst 10-Jährigen nicht lang werden wird.Cornelia Funke (Text + Bild): Herr der Diebe. Roman. Dressler Verlag, Hamburg 2000. 396 Seiten. 29,80 DM. Ab zehn Jahren.

Ulrich Karger

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