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Kultur: Da ist ein Dämon in dir

Performances von Yasmeen Godder und Simone Aughterlony im HAU

Von Sandra Luzina

Yasmeen Godder und die Kammer des Schreckens: Für ihre neue Produktion „I’m mean, I am“ hat sich die israelische Choreografin mit dem Horrorfilm beschäftigt, in der Absicht, ihn vampiristisch anzuzapfen. In „Strawberry Cream and Gunpowder“ hatte die junge Choreografin versucht, das nationale Trauma zu vertanzen; sie wollte zeigen, wie die permanent veröffentlichten Bilder von Kriegsgräueln, Folter und Selbstmordattentaten die Wahrnehmung angreifen. Dass sie für ihr neues Bedrohungsszenario ins Fantastische ausweicht, scheint nur so. Yasmeen Godder legt im Hebbel am Ufer 2 bald die zottelige Löwenmaske ab und zappt sich stattdessen durch die bekannte Choreografie des Bösen: Sie schneidet Fratzen, probiert Drohgebärden und maskulin-aggressive Körperhaltungen.

Hier regiert eine kindliche Lust, den anderen zu erschrecken. Wie es zunächst auch infantile Ängste sind, die beschworen werden. Die Bedrohung geht nicht von einem Fremden, einer übernatürlichen Kreatur, aus, sondern von den unkontrollierten Trieben. Godder als übermütiger Quälgeist macht sich einen Spaß daraus, die anderen zu drangsalieren. Angezettelt wird eine choreografische Randale, Körper in der Knautschzone, was aber schmerzfrei und eben: infantil wirkt.

Wenn Dana Yahalomi in ein Glashaus mit Grünpflanzen eingesperrt wird, nimmt der Abend eine andere Wendung. Hatte sie anfangs nur einen kühlen Blick für das Godder-Monster übrig, so wird sie bald zum wehrlosen Opfer und malt mit roter Farbe „Help Her“ an die Wand. Das hat etwas Beklemmendes, weil sich ungeplant Parallelen zu den jüngsten Fällen entführter Mädchen herstellen. Aus der Schreckenskammer freigelassen, wird sie selbst zum Monster. Hier ist Godder ganz bei ihrem Thema: die grotesk entstellte Weiblichkeit. Wie die Tänzer gierig übereinander herfallen, in rabiaten Dreier-Choreografien zwischen Überwältigung und Abwehr, ist eindeutig sexuell konnotiert. Vor allem die Angst vor der weiblichen Sexualität schwingt mit – hier findet die Choreografin mutige Bilder. Dana wird am Ende zum Messer greifen und das Monster töten. Yasmeen Godder will uns mit unseren eigenen Dämonen konfrontieren und kitzelt zugleich raffiniert unsere Angstlust. Ein zwiespältiger Abend: „I ’m mean, I am“ hat etwas Penetrantes, zugleich entfaltet das Stück aber auch eine suggestive Kraft, der man sich schwerlich entziehen kann.

Spürt man bei Godder trotz allem die Faszination des Unerklärlichen, so wird bei Simone Aughterlony umso mehr erklärt. Der Vorwurf, dass die Performer auf der Bühne keiner mehr versteht, steht im Raum. Also machen in „Performers on Trial“ im HAU 3 die Künstler sich selbst den Prozess. Eine verbale Choreografie aus Anklagen und schlappen Verteidigungen: Es ist der hinlänglich bekannte Diskurs. Das ist durchaus komisch, der Erkenntnisgewinn ist aber gering. Am Ende muss ein nackter Mann her, um die Erregungskurve des Abends hochzutreiben. Zwar versteht auch Aughterlony nicht, was Thomas Wodianka tut. Doch Nacktheit muss nicht erklärt werden.

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