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Kultur: Dabeisein ist alles

WETTBEWERB „El Custodio“ erzählt vom Schattenleben eines Leibwächters

Dieser Film könnte den Goldenen Bären für den langweiligsten Film in der Geschichte der Berlinale gewinnen. Aber wir müssen das präzisieren. Es gibt die sympathischen und die unsympathischen langweiligen Filme. Es gibt die gut gemachten und die schlecht gemachten langweiligen Filme. Die argentinisch-französisch-deutsche Koproduktion „El Custodio“ („Der Schatten“) gehört eindeutig zu den grundsympathischen, richtig gut gemachten stocklangweiligen Filmen. Regie: Rodrigo Moreno, ein Argentinier, der gerade mit einer sehr lustigen Komödie („El descanso“) aufgefallen sein soll. Gibt es eigentlich langweilige Komödien?

„Der Schatten“ ist keine Komödie, sondern handelt von einem Mann, den Menschen unter dreißig ohnehin nicht wahrnehmen würden. Älterer Typ, ein wenig rund und licht auf dem Kopf – also keiner, der im näheren Sinn unter den Begriff des Lebendigen fallen würde. Auch sonst hält sich Rubén (sehr gut: Julio Chávez) eher in den Vorzimmern des Lebens auf. Wer tut das nicht?

Aber Ruben macht es sogar hauptberuflich, er bleibt auf Korridoren und im Auto sitzen, während sich die Türen vor ihm schließen, auch die unsichtbaren. Denn er ist der Leibwächter eines wichtigen lateinamerikanischen Ministers. Er ist ein Schatten. Wenn der Minister schläft, muss Rubén einen schlafenden Mann beobachten. Dieser Leibwächter ist jemand, durch den man hindurchsieht, durch den man hindurchgeht. Höchstens um ihn zu demütigen, nimmt man ihn wahr, der Minister und seine Tochter zum Beispiel, ganz beiläufig natürlich.

Nach etwa dreißig Minuten möchte man Rubén zurufen: Bruder, ich fühle mit dir, lass mich schlafen. Manche Kritikerköpfe in der Pressevorführung nehmen eine bedenkliche Schrägstellung auf der Sessellehne ein. Dem noch Wachen wandern inzwischen Fragen über den Zusammenhang von Moral und Ästhetik durchs Bewusstsein. Vielleicht ist Anteilnahme die Grundkategorie von beidem, aber wie weit reicht die Anteilnahme mit so einem? Im Kino wie im Leben? Natürlich, könnte man jetzt sagen, Langeweile ist die Grundkategorie von Rubéns Dasein, und die Genialität des Regisseur besteht darin, sie durchdringend sicht- und fühlbar zu machen. Das Sicht- und Fühlbarmachen aber ist der Beruf des Kinos. Dazu kommt, dass „El Custodio“ ein paar optisch so geniale Momente hat (ungefähr 70. Minute bis 75. Minute und Schlussbild), dass einem jeder leid tun kann, der sie verschläft.

Ach ja, noch eine Nachricht an alle Minister dieser Erde: Keiner ist so gefährlich wie Euer Leibwächter!

Heute 21 Uhr (Urania) und 23 Uhr (International), 19. 2., 12 Uhr (Urania)

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