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Kultur: Dandy? Klingt mir zu oberflächlich

Till Brönner ist der erfolgreichste deutsche Jazzmusiker. Aber Popstar will er nicht sein

Herr Brönner, Sie sind seit Jahren Deutschlands erfolgreichster Jazzer. Was ist Ihr Verdienst?

Ich kann nur persönlich antworten: Ich befinde mich noch immer auf einer Reise. Was mein Verdienst ist? Schwer zu sagen, aus meiner Perspektive.

Einfach gesagt: Sie haben das Image des Jazzmusikers radikal gewandelt. Man verknüpft mehr mit Ihrem Namen als eine etwas spinnerte Musikrichtung.

Vielleicht ist das die Wahrheit, stimmt. Wenn die Leute mich mit Jazz verbinden, ohne gleich davonlaufen zu wollen, dann ist schon viel erreicht.

Für gewöhnlich sind Jazzmusiker gesellschaftlich völlig irrelevant. Hat Sie das erschreckt, als Sie diese Musik studierten?

Ich habe es zumindest sehr klar festgestellt. Gestört hat mich daran, dass sehr viele Musiker versucht haben, aus dieser Not eine Tugend zu machen. So sehr, dass es in Militanz umschlug. Ich habe gemerkt, dass es Spaß macht, meine Musik einem breiteren Publikum zu präsentieren. Das heißt auch, dass ich die Frage klären musste, wie weit ich gehen würde, um meine Musik zugänglich zu machen.

Wie weit gehen Sie denn?

Da gibt es bestimmte Grenzen, das habe ich schon mehrmals – auch bitter – erfahren. Das ist bestimmt keine Kritik an meiner Plattenfirma. Aber wenn eine Firma das Wort „Trend“ in den Mund nimmt, wird mir jedes Mal schlecht.

Wälzen Sie es nicht ab auf die Musikindustrie? Sind Sie sich denn selbst sicher, wie weit Sie auf das Publikum zugehen möchten?

Nein, nicht immer. Aber das ist in Ordnung. Miles Davis hat mal drei Jahre gar nichts gemacht. Das passiert, wenn man Kompromisse sucht zwischen seiner Neugier und der eigenen Identität. Ich kenne diese Unsicherheit. Aber ich habe den Punkt überschritten, an dem ich bereit bin, noch kommerzieller zu werden. Der Weg immer weiter hin zum Pop ist bei mir absolut unterbrochen.

Aber Ihre Platte „That Summer“ vom letzten Jahr ist doch Ihre poppigste überhaupt.

Meine nächste Platte wird definitiv nicht poppiger werden als die letzte. Übrigens war ja die letzte gar nicht so poppig, sondern eher brasilianisch. Aber was bei Michael Bublé passiert ist, wird es bei mir nicht geben. Mit Jazz anzutreten und dann am Schluss eine lupenreine Popnummer zu singen, das kann ich mir nicht vorstellen.

Auf „That Summer“ singen Sie fast jedes Stück. Und das als ausgebildeter Trompeter.

Es gab zwei Gründe dafür. Ich bin Gesangsfan. Ich höre zu Hause ständig die Klassiker, Frank Sinatra, Shirley Horn. Zweitens bin ich eine Zeit lang in kleinen Gruppen aufgetreten, ich musste fast alle Soli selbst spielen. Damit sich meine Lippen auf der Bühne erholen können, habe ich angefangen, zwischendrin mal ein Stück zu singen. Aber der Gesang steht immer im Zusammenhang mit der Trompete, darauf läuft alles zu. Ich bin ja kein ambitionierter Sänger.

Aber ein erfolgreicher.

Ich habe festgestellt, dass die Leute meiner Trompete viel besser zuhören, wenn ich mal eine Nummer mehr schlecht als recht singe. Da übst du dir dein Leben lang auf der Trompete den Arsch ab, und dann singst du eine Nummer, mehr so als Gag, und der Laden kocht.

Sie sind doch hoffentlich nicht verbittert darüber.

Nein, aber auf meiner nächsten Platte werde ich auf jeden Fall wesentlich weniger singen.

Für Ihr Image war der Gesang Gold wert. Nie waren Sie so sehr der melancholische Dandy.

Melancholischer Dandy? Darüber muss ich erst mal nachdenken. Also, melancholisch trifft zu. Dandy klingt ein wenig zu oberflächlich. Ich bin kein Dandy, auch wenn mich manche so sehen mögen.

Das Image haben Sie selbst kreiert. Als Mousse T bei der WDR-Talkshow „Zimmer Frei“ zu Gast war, ließen Sie sich an einer Hotelbar interviewen.

Richtig, das war im Havanna Club im Savoy Hotel. Ich gebe zu, so etwas unterstützt das Image. Ich fürchte, was ich da mache, bin wirklich ich. Diese Rotwein-Atmosphäre ist traurigerweise eins der letzten Inselchen, auf die ich mich zurückziehen kann.

Mal ehrlich: In der Öffentlichkeit zu stehen, fasziniert Sie doch.

Es wäre total verlogen, das Gegenteil zu behaupten. Natürlich ist es ein berauschendes Gefühl, auf die Bühne zu gehen und Begeisterung auszulösen, bevor ich auch nur eine einzige Note gespielt habe. Noch schöner ist es aber nach dem Konzert, wenn es richtig gut lief. Öffentlichkeit ist in unserem Land mit meiner Musik nur mit großer Geduld und eisernem Willen zu kriegen.

Im Moment zeigen Sie eher eisernen Willen, sich der Öffentlichkeit zu verweigern. Dabei giert der Boulevard nach Ihnen.

Kurzfristig wäre es ein Leichtes, mich dem zu ergeben. Aber komisch, die Journalisten haben sich zehn Jahre lang nicht für mein Privatleben interessiert, und auf einmal scheint es das Wichtigste zu sein.

Auf Ihrer Website schreibt ein Fan: „Warum stehst du nicht offen zu deiner Liebe zu Nadja Auermann?“

Aber das hat doch nichts mit meiner Musik zu tun.

Herr Brönner, das hat einer Ihrer Fans geschrieben.

Ich bin schon übel belehrt worden, was Fans angeht.

Sie fühlen sich verfolgt?

Das nicht, aber manche Fans überschreiten Grenzen. Der letzte Brief, den ich bekommen habe, war zwölf Seiten lang. Da analysiert mich jemand, der mich noch nie getroffen hat. Ich konnte den Brief nur überfliegen, musste ihn weglegen. Die Leute verspüren den Wunsch, dich zu ergründen. Und manche haben das Gefühl, dass ihnen ein Stück von dir gehört.

Aber nun sind Sie berühmt, es ist fast egal, wie Ihre nächste Platte klingt.

Genau das macht mir Sorgen. Ich finde es schlimm, wenn man sein Privatleben nicht mehr in selbst gewählten Dosierungen leben kann. Ich sage doch genügend über mich in meiner Musik.

Till Brönner spielt am Freitag in der Berliner Philharmonie, 20.30 Uhr. Das Gespräch führte Johannes Völz.

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