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Roger Cicero

© M. Bothor/Warner

Roger Cicero: Danke für diesen guten Morgen

Von Trennungen auf dem Parkplatz, Patchworkfamilien und dem Mut zum Neuanfang: Roger Cicero verarbeitet auf seinem neuen Album „Was immer auch kommt“ private Krisen. Und liebt trotzdem optimistisch.

Wie er’s auch dreht und wendet, am Ende kommt dann doch wieder etwas Hoffnungsvolles heraus. Zwischen all den Jammerpop-Poeten leuchtet Roger Cicero als Sonnyboy der deutschen Musikszene heraus. Er will nicht mal eben schnell die Welt retten, der 43-Jährige wäre schon froh, wenn er sein eigenes Leben im Griff hätte. Auf seinem neuen Album „Was immer auch kommt“ verarbeitet der Berliner die Trennung von seiner Langzeitpartnerin. Sieben Jahre waren die beiden ein Paar, 2008 kam ihr Sohn zur Welt. Im vergangenen Sommer aber brach die Kleinfamilie auseinander.

Deshalb in Selbstmitleid zu versinken, wäre aber nicht Roger Ciceros Ding. Im Gegenteil: Er geriet in einen wahren Schaffensrausch. Ums Nach-vorne- Schauen geht es in den Liedern, um das Scheitern als Chance, um den Mut, einen Neuanfang zu wagen. Das kann dann auch mal ziemlich kirchentagsmäßig klingen. Bei Zeilen wie „Wenn du die Wahl hast, ob du steh’n bleibst oder tanzt, dann hoff ich, dass du tanzt“ greift man unwillkürlich zum Booklet, um sicherzugehen, dass der Text nicht vielleicht doch von Margot Käßmann stammt.

Und doch berührt das Private nie peinlich, wirkt der Optimismus nicht aufgesetzt. Weil die Songs vom Sänger eben nicht zur Klampfe vorgetragen werden, sondern zusammen mit den großartigen Jungs seiner Bigband. Die haben den richtigen jazzigen Drive, steuern sonnige Sounds bei, fahren mit knackigen Bläsern dazwischen, wenn es zu sentimental wird. Immer ist da irgendwo ein scheinbar improvisiert hingetupftes Dubidu- Motiv auf dem Piano, eine frech quakende Hammondorgel. Cicero ist prächtig bei Stimme, sein Bariton klingt lässig und sexy, mit dieser unverwechselbaren Mischung aus Samt und Kernigkeit.

Besonders inspiriert sind die Beziehungssongs. Kaputt reimt sich da auf Hollywood, allerdings nicht, um auf die Tränendrüse zu drücken. Wie er das Ende seiner Liebe beschreibt, das so gar nicht in Cinemascope abläuft, Dienstagnachmittag auf einem Supermarktparkplatz, ohne Script, ohne Hoffnung auf einen Cliffhanger, das hat Größe. Und die Fortsetzung sprüht vor Witz, wenn sich beide Partner neu verlieben, natürlich in Leidensgenossen mit eigenem Patchworkfamilien-Anhang: „Hier expandiert ’ne Familie beim Versuch, sich zu trennen.“

Das Leben, laut Roger Cicero „ja auch nur ein Mensch“, geht weiter. Und doch bleibt da eine Restbitternis, wenn der von zu Hause ausgezogene Vater in der alten Wohnung seinen Sohn zu Bett bringt und innerlich fleht: „Bitte stell die Frage nicht, wohin ich jetzt noch geh’“. Der Song trägt die Unglückszahl 13 auf dem Album, gesampelte Streicher weben einen dunklen Klangteppich, darüber tönt einsam das Klavier. Eigentlich müsste diese Musicalballade grauslicher Kitsch sein, doch Ciceros Zerknirschung ist so glaubwürdig, dass sie zum echten Herzwürger wird.

„Was immer auch kommt“ ist bei Warner erschienen. Auf seiner Tour kommt Cicero erst am 25. Oktober ins Tempodrom.

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