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Ingo Metzmacher dirigierte das Deutsche Symphonie-Orchester.

© Harald Hoffmann

Deutsches Symphonie-Orchester beim Musikfest: Dann ist dein Ich gelöscht

Ingo Metzmacher und das DSO spielen beim Musikfest Iannis Xenakis, Gustav Mahler und das Schönberg-Fragment "Die Jakobsleiter", mit dem der Komponist ein Leben lang gerungen hat.

Auf der Zielgeraden des Musikfestes 2015 sind sie noch einmal alle in der Philharmonie versammelt: die Intendanten und Orchesterdirektoren der Stadt, um locker um das Kraftzentrum Wolfgang Rihm gruppiert. Der Abend ist ausverkauft, eine Leistung bei einem Programm, das auf Schönbergs Oratorien- Fragment „Die Jakobsleiter“ gründet. Doch die rare Gelegenheit zu erleben, womit der Komponist ein Leben lang gerungen hat, übt eine Faszination aus, die einem Blick auf die letzten Dinge gleicht.

Bevor er gewährt wird, widmen sich Ingo Metzmacher und das hochkonzentrierte Deutsche Symphonie-Orchester Iannis Xenakis und Gustav Mahler. „Shaar“ komponierte Xenakis 1983 für das israelische Testimonium-Festival. Er wünschte sich dafür ein teuflisches Sujet: das Ringen eines Weltenerlösers mit dem Satan, dessen List er am Ende erliegt. Doch vor ewiger Verdammnis rettet ihn ein Tor („Shaar“), das sich plötzlich öffnet. Heulende Glissandi jagen durch das Streichorchester, lastend ballt sich der Klang. Metzmacher aber sorgt umsichtig dafür, dass er nicht verklumpt – und das Klangtor zufällt.

Höhen- und Fernorchester durchdringen den Scharoun-Bau

Berührend zart betritt er danach mit dem DSO und Wiebke Lehmkuhl die Welt von Mahlers „Kindertotenliedern“. Wie wunderbar die sparsame Instrumentation aufleuchtet! Dirigent und Altistin sind sich ganz einig: Es gibt kein Drücken und kein Vibrato, alles Opernhafte liegt fern und ist einer berückenden Klarheit gewichen. Von ihr träumte Mahler immer. Zwischen zwei Werken des existenziellen Ringens wurde sie seinen „Kindertotenliedern“ an diesem Abend zuteil.

Und dann Schönberg: Dass er an der „Jakobsleiter“ scheiterte, liegt nicht nur am Sujet, das Zweifel herausfordert. Es liegt auch am Libretto, das der Komponist selbst verfasste, ohne eine rechte Fassung zu finden. So wird viel Nebulöses deklamiert. Die Sänger geben ihr Bestes, voran der menschliche Erzengel Gabriel von Thomas E. Bauer. Der Rundfunkchor spaltet sich gewandt in Unzufriedene, Zweifelnde, Jubelnde. Endlich weitet sich der Klangraum, Höhen- und Fernorchester durchdringen den Scharoun-Bau – und da ist es auch schon wieder vorbei. „Dann ist dein Ich gelöscht“, sind des Erzengels letzte Worte. Das Mysterium der zu Gott aufsteigenden Seele, es bleibt umfassend gewahrt.

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