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Kultur: Das große Schwarz

Antoni Tàpies und Richard Serra in der Galerie Nothelfer

Die Kunststadt Berlin lebt vom Mythos ewiger Jugend. Ein gewisses Misstrauen gegen das Arrivierte gehört einfach zum guten Ton. Und doch sollte ein regelmäßiger Blick auf die big shoots der Kunstszene unerlässlich sein. Die Galerie Georg Nothelfer gehört seit 1971 zum knappen Dutzend hiesiger Adressen, wo regelmäßig die Kunst international etablierter Übergrößen gezeigt wird. So bieten auch die beiden aktuellen Ausstellungen museale Ware von lebenden, doch irgendwie schon entrückten Künstlern.

Dem großen Katalanen Antoni Tàpies widmet Nothelfer in seinen Räumen am Landwehrkanal eine Ausstellung zum 80. Geburtstag, deren teuerste Arbeit, die Mischtechnik „Grande forme noir“ von 1989, stolze 400000 Euro kostet. Vergleichsweise günstig erscheinen da die 20 Druckgrafiken des amerikanischen Bildhauers Richard Serra, die Nothelfer in der Uhlandstraße präsentiert. Doch auch im Fall der beiden großformatigen Siebdrucke auf Japanpapier, „Esna“ und „Reykjavik“ von 1991 (je 30000 Euro), rechnet der Galerist kaum mit einem Absatz in Berlin.

Der 1999 edierte Catalogue Raisonné verzeichnet 132 seit den frühen Siebzigerjahren entstandene Druckgrafiken. Frühe Lithografien umkreisen Serras Generalthema: das labile Wechselspiel von Gewicht und Gleichgewicht. Die Skulpturengruppe „Afangar“, eine Installation von 18 Basaltstelen, die seit 1990 paarweise eine Insel vor der isländischen Hauptstadt Reykjavik besetzen, regte Serra erstmals zu Radierungen an. Zwei dieser in 75er-Auflage gedruckten, pechschwarzen Ausrufezeichen markieren bei Nothelfer die untere Preisgrenze (je 3300 Euro).

Für sie und die großformatigen Siebdrucke entwickelte Serra zusammen mit seinen Druckern aufwändige Reproduktionstechniken. Die Radierplatten der auch formal herausragenden Serie „Hreppholar“ etwa wurden so tief geätzt, dass die Abzüge – Nothelfer bietet vier der zehn Blätter für je 8000 Euro an – Prägedrucken gleichen. Gemeinsam ist Radierungen und Siebdrucken das haptisch anmutende Schwarz. Durch Mehrfachdruck und pastose Ölkreiden ergeben sich Oberflächen statt Flächen.

Auch Antoni Tàpies gilt als Materialfetischist. Schuf er in den Sechzigerjahren mit der für ihn typischen Mischung aus Farbe, Leim, Marmorstaub und Lack mehrteilige Tableaus von lastender Hermetik, bereicherte der Katalane seit dem Tod Francos und der Wiedergeburt der spanischen Demokratie seine formale Spannbreite beträchtlich.

Terrakottaskulpturen, wie der monumentale „Cube“ (250000 Euro) oder die kleine, mit einem Schuhabdruck gesiegelte „Boîte“ (55000 Euro) korrespondieren motivisch über ganz persönliche Symbole, eingedrückte und eingekratzte Buchstaben und Chiffren mit Tàpies’ Bildwelt. Fülle und Leere, Stocken und Fließen, Raues und Geschmeidiges: Antoni Tàpies ist ein Zauberer elementarer Wahrnehmung. Mit 80 sieht er noch ziemlich jung aus.

Galerie Georg Nothelfer, beide Ausstellungen bis 6. März; Richard Serra: Uhlandstraße 184; Antoni Tàpies: Corneliusstraße 3.

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