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Kultur: Das grüne Leuchten

Farbe bekennen: Das Kunstmuseum Wolfsburg entdeckt die junge Malerei

Ihre Bilder sind sehr groß. Sehr bunt. Und sehr opulent. Sie zeigen Menschen am Strand, Körper in der Disko, Bänker bei der Arbeit oder das Begräbnis von Queen Mum. Die Künstler, bekannt geworden in den letzten zehn Jahren, machen ihre Anleihen bei der Pop Art oder der zeitgenössischen Fotografie und entwerfen am Computer. Sie malen in Acryl, Lack, Emaille oder Kunstharz. Glatt, perfekt sind die Oberflächen der Bilder. Selten nur erkennt man die Spur des Pinsels. Es ist eine gut gelaunte Kunst, die sich unbekümmert zum schönen Schein und Oberflächenglanz bekennt.

„Farbe bekennen“, nennt Museumschef Gijs van Tuyl den Versuch des Kunstmuseums Wolfsburg, die Wechselbeziehung von Malerei und digitalen Medien wie Foto, Video und Film zu beleuchten: 34 junge Künstler hat er versammelt, deren Werke in Struktur oder Technik auf Foto oder Film zurückgehen. Annelie Lütgens, die mit van Tuyl die Ausstellung kuratierte, berichtet, wie sie von Berlin nach Los Angeles gereist seien, auf der Suche nach Malern der Gegenwart. Dabei seien ihr Zweifel, ob man heutzutage überhaupt noch malen könne, Rechtfertigungen und Skrupel nicht begegnet. Im Gegenteil: „Die Künstler haben kein Problem damit zu malen.“

Das trifft sich gut: Auch der Kunstbetrieb hat offensichtlich kein Problem damit, zu Beginn des neuen Jahrtausends eine Wiederkehr der Malerei zu feiern. Künstler wie Neo Rauch, Norbert Bisky, Franz Ackermann, Kai Althoff, Daniel Richter werden als neue Stars hofiert, Martin Kippenberger und Gerhard Richter gefeiert. Überall schießen Malerei-Ausstellungen wie Pilze aus dem Boden: „Painting on the move“ 2002 in Basel, „deutschemalereizweitausenddrei“ unlängst in Frankfurt, „Lieber Maler, male mir“ als Wanderausstellung in Paris, Wien und Frankfurt. Sie alle trommeln – mit entsprechender Medienbegleitung – für die Wiederkehr der lange hinter Video und Installation abgeschlagenen Kunstform Malerei.

Auch die Wolfsburger zeigen sich erstaunt angesichts des Zeitgeists, den sie da getroffen haben: „Jahrelang arbeitet man an einem Thema, und kaum ist man fertig, tauchen überall ähnliche Ausstellungen auf“, wundert sich Lütgens, halb erfreut, halb verärgert. Fest steht, dass das umtriebige Kunstmuseum Wolfsburg mal wieder rechtzeitig reagiert hat. Und fest steht auch, dass „Painting Pictures“ in der klugen Beschränkung auf die Beziehung von Malerei und digitaler Bildgestaltung eine wesentlich inspirierendere Annäherung geworden ist als die in der Bestandsaufnahme sich genügenden Ausstellungen der Konkurrenten.

Denn dass die heutigen Maler wesentlich mehr mit Film, Fotografie, Werbung oder Fernsehen zu tun haben als mit der langen Tradition der Malerei, ist offensichtlich. Lisa Ruyter zum Beispiel abstrahiert ihre Strand- und Party-Bilder ausschließlich von Fotografien. Elisabeth Peyton rekurriert für ihre Porträts aus der Star- und Glamourwelt auf gängige Pressebilder. Eberhard Havekost malt Zelte und Zimmerpflanzen fotorealistisch und gibt seinen Bildern gleichzeitig die Verwischtheit des flüchtigen Blicks.

Umgekehrt arbeiten die Nachbardisziplinen mit dem Begriff des Malerischen: Fotokünstler wie Jeff Wall komponieren ihre Arbeiten wie klassische Gemälde. Andreas Gursky retuschiert und behandelt seine Fotos im Nachhinein, bis sie eine so nicht existente Wirklichkeit zeigen. Sarah Jones spielt in ihren Aufnahmen von Rosen und Bäumen mit der malerischen Qualität von Stillleben.

Dass ein Künstler wie der in Los Angeles lebende Brian Calvin die Inspiration für seine blassen Boheme-Gestalten ausgerechnet in Italien bei Giotto erhielt, sorgt in diesem Kontext für amüsierte Lacher. Und die mit Kunstharz übergossenen Collagen von Fred Tomaselli, die Blätter, Pillen, Zeitungsausschnitte integrieren, erinnern nur von Ferne an Arcimboldo.

Auf den Punkt gebracht hat das Verhältnis von Schein und Wirklichkeit allerdings doch ein Medien-Künstler – Doug Aitken. Der fotografierte nachts Reklametafeln, und zwar just in dem Moment, in dem der Reklamefilm abgelaufen war: Entstanden sind verstörend weiße Leuchtflächen in einer ansonsten banalen urbanen Umgebung.

Die reinste Reflexion über das Wesen der Farbe gelingt dem bislang als Fotograf gefeierten Wolfgang Tillmans. Seine erste Videoarbeit „Lights (Body)“ konzentriert sich auf die Lichtanlage einer Diskothek. Schwarzlicht zuckt, farbige Prismen drehen sich, Diskokugeln zerfließen zu abstrakten Ornamenten, und am Ende zucken nur noch kurze Farbreflexe über die Wand. Blau. Gelb. Rot. Das grüne Leuchten.

Painting Pictures. Kunstmuseum Wolfsburg, bis 29.6., Katalog: 39 Euro

Christina Tilmann

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