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Kultur: Das gute Gewissen der Architektur Zum 80. Geburtstag des Baumeisters Frei Otto

Die erste große Ausstellung über sein Lebenswerk, die Goldmedaille des Königlich-Britischen Architekturinstituts, die Ehrendoktorwürde der TU München (seine vierte nach Washington, Bath und Essen) und schließlich sein heutiger 80. Geburtstag – Anlässe also genug, den Architekten und Ingenieur, Bildhauer und Maler, Philosophen und Weltverbesserer Frei Otto zu würdigen.

Die erste große Ausstellung über sein Lebenswerk, die Goldmedaille des Königlich-Britischen Architekturinstituts, die Ehrendoktorwürde der TU München (seine vierte nach Washington, Bath und Essen) und schließlich sein heutiger 80. Geburtstag – Anlässe also genug, den Architekten und Ingenieur, Bildhauer und Maler, Philosophen und Weltverbesserer Frei Otto zu würdigen. Das Architekturstudium absolvierte der im sächsischen Siegmar Geborene in Berlin, wo auch seine ersten Bauten entstanden, etwa die Kirche in der Zehlendorfer Andréezeile. Bekannt aber wurde er mit dem gläsernen Zelt des Münchner Olympiadachs, das er dann für den deutschen Expo-Pavillon 1976 in Montreal variierte. 1964 gründete er das „Institut für leichte Flächentragwerke“ an der TU Stuttgart. Dort betrieb Otto Materialforschung und konstruktiven Ingenieurbau, ein Terrain, auf das sich sonst kein Architekt verirrt. „Natürliche Konstruktionen“ war das nächste Thema. Wieder holte er Ingenieure, Materialtechniker und Biologen aus aller Welt nach Stuttgart. Interdisziplinär wurden Zellen und Knochen, Baumstämme und Grashalme, Spinnennetze und Seifenblasen auf brauchbare Ideen hin untersucht. Schon vor fünfzig Jahren forderte der Baumeister ökologisches Bauen, was er 1989 etwa an der Berliner Rauchstraße mit drei „Öko“-Häusern in die Tat umsetzte. Otto erforscht also nicht nur Bauweisen und Materialien, sondern äußert sich als „Gewissen der Architektur“ auch vehement zu ethischen Grundsatzfragen des Bauens.

In drei Abteilungen zeigt das Münchner Architekturmuseum hängende (Zelte, Seilnetze, Schirme), stehende (verzweigte Stützen, Membrankuppeln, Fachwerkbrücken) und schwebende Konstruktionen („Pneus“, Traglufthallen, Ballondächer bis hin zu luftdruckgestützten Überdachungen ganzer Städte etwa in der Arktis). Hunderte seiner luziden Zeichnungen zeigen, wie die Ideen Form annahmen. Obwohl Otto wenig gebaut hat, gilt er als weltweit bekanntester zeitgenössischer Architekt Deutschlands. Als Organisator und Initiator hat er Architekten und Ingenieure aus aller Welt in Stuttgart geprägt und mit vielen kooperiert, darunter Ove Arup, Kenzo Tange und Shigeru Ban. Letztlich aber erfuhren seine Ideen, seine ökologische Haltung im Ausland eine höhere Wertschätzung als im Heimatland.

Architerkturmuseum, Pinakothek der Moderne, München, bis 28. August. Katalog (Birkhäuser-Verlag) 40 Euro, im Buchhandel 78 Euro.

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