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Multiinstrumentalistin und Sängerin Theresa Stroetges in ihrem Neuköllner Probenraum.

© Thilo Rückeis

Das Musikprojekt Golden Diskó Ship: Schläft ein Klang in allen Dingen

Theresa Stroetges macht unter dem Namen Golden Diskó Ship experimentelle Popmusik. Jetzt tritt sie beim Torstraßenfestival auf.

Im Hafen von Reykjavík sah Theresa Stroetges einmal ein langsam vor sich hinrostendes Schiff. Es schaukelte traurig auf dem Wasser herum. Denn der Traum, den ein paar hippiemäßige Isländer damit gehabt hatten, wurde nicht realisiert. Sie wollten auf dem golden angemalten Schiff in wärmere Gewässer fahren, dabei endlose Partys feiern und immer dem Sonnenuntergang entgegenschippern. Zwar blieb das echte Schiff im Hafen, doch dank Theresa Stroetges, die sich davon zu ihrem Namen Golden Diskó Ship inspirieren ließ, ist es in gewisser Weise doch noch weit herumgekommen – und in der Partyhauptstadt Berlin vor Anker gegangen.

Eigentümlichen Träumen nachzugehen und das isländische Wort für Disco in den eigenen Projektnamen einzubauen – irgendwie passt das sehr gut zu Theresa Stroetges. Die sympathische Frau mit den Wuschelhaaren war vor 13 Jahren als Erasmusstudentin für ein Jahr in Island. Als großer Björk-Fan, der sie bis heute ist, habe sie sich das Land gezielt ausgesucht, erzählt sie beim Gespräch in Kreuzberg. Und Island ist ja nicht nur für überwältigende Landschaften und Elfenmythen bekannt, sondern steht auch für die Bejahung der Moderne und der elektronischen Musik.

Diese Natur-Technik-Dichotomie prägt auch Theresa Stroetges’ Arbeiten. Als Golden Diskó Ship hat die 32-Jährige mit „Prehistoric Ghost Party“ und „Invisible Bonfire“ bereits zwei Alben veröffentlicht, und zu fast jedem ihrer Songs gibt es ein Video. Meist produziert Stroetges die Clips selbst, die sie auch als Visuals in ihren Liveshows verwendet. Zu sehen sind Naturaufnahmen, die wirken wie visualisierte Träume. Man sieht etwa, wie jemand – wohl Stroetges selbst – in langen Zügen durch einen Fluss schwimmt. Wasser spielt auch sonst eine wichtige Rolle, was vielleicht auch nur folgerichtig ist für jemanden, der sich nach einem Schiff benannt hat. Diese Naturaufnahmen werden dann verfremdet, mithilfe von Computertechnik verzaubert. Es flackert und blinkt plötzlich recht seltsam zwischen diesen Landschaftsbildern und man weiß oft gar nicht, wo man hier noch authentische Natur sieht und wo die Landschaftsaufnahmen mittels Software manipuliert wurden.

Theresa Stroetges baut auch Naturklänge in ihre Tracks ein

Diese permanenten Tricksereien, das Spielen mit der Wahrnehmung betreibt Stroetges auch ganz exzessiv in ihrer Musik. Man fragt sich: Sind diese geisterhaft vor sich hinmäandernden Soundflüsse, überhaupt noch Songs? Verschiedene Synthesizer pluckern vor sich hin, dazwischen fahren die Klänge akustischer und elektronischer Gitarren. Immer wieder legt sich eine zarte, meist verfremdete Stimme in dieses Klangbett, die aber nicht zu Strophen und Refrains anhebt, sondern so schnell wieder verschwindet, wie sie aufgetaucht ist. Auch mit sogenannten Field Recordings arbeitet Stroetges gerne. Wie bei ihren Visuals geht sie dafür raus in die Natur und bringt von dort Geräusche mit, die in ihre Stücke verwoben werden.

In endlosen Solo-Jam-Sessions sucht sie nach Sound-Material

All die ineinander verschachtelten Klänge ihrer eigentümlicherweise gleichzeitig abstrakt und poppig klingenden Stücke stammen von Stroetges selbst. Auf ihre Wohnung und ihren Proberaum verteilt, verfügt sie über ein riesiges Arsenal von Klangerzeugern: Synthies, Sampler, Computer, E-Piano, Gitarre. Da habe sich einiges angesammelt über die Jahre, sagt sie. „Ich trommele außerdem gerne auf Sachen herum, die ich nicht beherrsche. Oder ich klopfe auf die Gitarre, statt auf ihr zu spielen. Ganz spontan greife ich zu etwas und nehme dessen Klang mit dem Mikrofon auf.“ Sie spielt endlose Jams mit sich selbst, die sie als „permanente Suche nach dem Moment“ bezeichnet. Die eigentliche Arbeit beginnt erst nach dem Sammeln des Klangmaterials. Und auch wenn ihre Stücke versponnen und zerfahren anmuten: „Golden-Diskó-Ship-Songs sind extrem durchkomponiert.“ Am Computer editiert Stroetges in endlosen Sitzungen ihre Aufnahmen zu psychedelischen, bizarr wirkenden Stücken, denen sie rätselhafte Titel wie „Snowflake Helicopter“ oder „Fake Horse“ gibt.

„Das Schöne daran, allein Musik zu machen, ist, dass man dabei total frei ist, alles auszuprobieren“, sagt Stroetges. Darüber hinaus ist die Berlinerin auch noch Teil zweier Bands. Bei Epiphany Now, einem Improvisationstrio, spielt sie Bratsche, und mit Soft Grid unterhält sie eine waschechte Psychedelicband. Ihr Hauptprojekt bleibt aber vorerst Golden Diskó Ship. Die Aufmerksamkeit für das Projekt wächst langsam. Gleich ihr Debütalbum konnte sie beim Label von Hans Joachim Irmler unterbringen, einem Mitglied der sagenumwobenen Krautrockband Faust. Und eben erst hat sie vom Berlin Musicboard ein Stipendium bekommen, das ihr die Aufnahme des nächsten Albums erleichtern soll, einen Aufenthalt in Lissabon inklusive.

"Auch ich raff die Technik"

Als Frau, die sich im Bereich exaltierter elektronischer Musik bewegt, hat Theresa Stroetges es allerdings manchmal nicht ganz leicht, sagt sie. Diese Welt dominieren normalerweise geniehafte Nerds und Geeks wie Aphex Twin, der seine Synthesizer so neu zu verlöten vermag, dass sie nie gehörte Töne ausspucken. „Auch ich raff Technik“, sagt Stroetges, „aber das wird mir oft gar nicht zugetraut.“ Erst vor Kurzem hat Stroetges’ Vorbild Björk diese Problematik angesprochen. Selbst sie, ein Superstar der experimentellen Popmusik, werde oft mit der Frage konfrontiert, welcher tolle Frickelmusiker ihr dies oder das auf den Leib produziert habe. Auch Stroetges hat zu dieser Debatte einige Anekdoten parat. Etwa wie sie im Musikgeschäft einen Gitarrenverstärker ausprobieren möchte und ihr geraten wird, erst mal Gitarre spielen zu lernen. Oder wie sie im Club vor dem Liveauftritt als Sängerin begrüßt und gefragt wird, wo denn ihre Band sei.

Verbittert ist Theresa Stroetges ob solcher Geschichten nicht. Dafür ist sie ein viel zu fröhlicher Mensch und auch zu sehr von dem überzeugt, was sie kann. Immerhin auch Bratsche spielen. Und das soll Aphex Twin erst einmal hinbekommen.

Konzert beim Torstraßenfestival: Roter Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, 13. Juni, 20 Uhr

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