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Kultur: Das Neue, nicht das Modische

Pianist Maurizio Pollini wird 70 Jahre alt.

Maurizio Pollini ist der Helmut Schmidt unter den Weltklassepianisten. Der  Vergleich bezieht sich natürlich nicht auf das Alter – der Italiener wird heute erst 70 Jahre alt –, sondern auf eine erstaunliche Geistesbruderschaft mit dem Politiker. Beide Männer haben auf ihrem Gebiet nachhaltig Großes geleistet, beide sind brillante Analysten und versierte Rhetoriker. Als Gefühlsmenschen mag man weder den einen noch den anderen bezeichnen – und doch bewegen sie ihre Zuhörer. Seriosität bestimmt ihr Handeln, Redlichkeit und Unabhängigkeit erkennen sie als wichtigste Tugenden an, ihre Interpretationen sind das Ergebnis gewissenhafter Beschäftigung mit ihrem Gegenstand. In einem Maße, wie es nur wenige Künstler wagen, hat Maurizio Pollini versucht, auch jenseits des akademischen Milieus zu wirken, vor allem in den siebziger Jahren, als musikalischer streetworker, der Konzerte in Fabriken veranstaltete, als Sympathisant der Partito Comunista Italiano. Und auch wenn es ums Rauchen geht, zeigt sich der Pianist ähnlich beratungsresistent wie der Altbundeskanzler.

Der Gewinn des Chopin-Wettbewerbs 1960 in Warschau war für Maurizio Pollini, was die Hamburger Sturmflut für Helmut Schmidt bedeutete: Seit diesem Jahr genießt er uneingeschränkten Respekt, beim Publikum wie bei seinen Kollegen. Der in Mailand geborene und ausgebildete Sohn eines Architekten ließ sich nach dem wichtigen Wettbewerbssieg allerdings nicht einfach in den Tourneezirkus des Klassik–Jetsets einspeisen, sondern zog sich zu weiteren Studien bei Arturo Benedetti Michelangeli zurück. So sorgfältig er bei der Vorbereitung ist, so rigide begrenzt er die Zahl seiner Auftritte auf rund 40 pro Saison. Seine Klavier-Recitals sind Abende tiefer geistiger Versenkung, als Solist lässt er sich am liebsten von seinem Freund Claudio Abbado begleiten. Die Neugier, mit der Pollini zeitgenössischer Musik begegnet, wiederum begründete einst ein anderer amico: der Komponist Luigi Nono.

In Berlin ist Maurizio Pollini seit 1963 präsent, mindestens einmal pro Jahr. Seine nächsten Auftritte sind für den 2. und 8. April im Rahmen der Staatsopern- Festtage geplant. Die hiesigen Klassikfans schätzt der Pianist übrigens ganz besonders. In einem Interview mit der „Zeit“ erklärte er auf die Frage, ob es spürbare Unterschiede zwischen dem deutschen und italienischen Publikum gebe: „In Deutschland gibt es einen kollektiven Zuhörergeist, den Willen zum gemeinsamen Hören und Erleben. Wer Musik macht, ist angewiesen auf ein einheitliches Publikum. Wenn es sich dazu noch um ein lebhaftes Publikum wie in Berlin handelt, dann tut das sehr gut.“ Frederik Hanssen

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